Nachruf:DJ-Pionier David Mancuso ist tot

Die New Yorker Loft-Parties von David Mancuso waren die erste Alternative zu teuren Clubs mit strengen Türen.

Von Jan Kedves

Luftballons, jede Menge davon, gehörten zu jeder Party, die David Mancuso in seinem Loft in Manhattan an der Ecke Broadway und Bleecker Street (später in der Prince Street) organisierte. 1970 fing er damit an, lud seine Freunde ein, stellte seine teure, brillant klingende Anlage auf, und los ging's. Es war ein Gegenprogramm zu den kommerziellen Clubs in Manhattan, die damals Schwarze oder Schwule nicht reinließen.

Mancuso war eine bärtige Hippie-Erscheinung mit Vorliebe für die Bewusstseinserweiterung-Literatur von Timothy Leary. Weil er keine Schanklizenz besaß, war bei seinen Partys niemand betrunken. Dafür gab es LSD-Punsch. So blendeten sich die Stücke in den Köpfen der Gäste ganz von alleine ineinander. Denn Mancuso mixte seine Platten nicht. Er spielte sie von vorne bis hinten, aus Respekt vor den Musikern, die sie aufgenommen hatten. Trotzdem wurde er zur prägenden Figur der DJ-Kultur. Weil er mit genauem Wissen um die verschiedenen Phasen und Bedürfnislagen einer Party psychedelischen Rock, Soul, frühe Disco und wilde Percussion-Jams entlang einer ausgeklügelten Dramaturgie aufeinander folgen ließ.

Mitte der Siebzigerjahre gehörte Mancuso zu den Gründern des New Yorker "Record Pool", der ersten Institution, in der sich DJs wöchentlich von Plattenfirmen mit Testpressungen der neuesten Produktionen versorgen lassen konnten. Die Idee wurde in den Achtzigerjahren weltweit übernommen. So trug Mancuso zur Kommerzialisierung der DJ-Kultur bei, der er selbst allerdings immer widerstand. Er sah sich vor allem als Sozialarbeiter, als jemand, der Menschen zusammenbringt. Sogar ein eigener Tanzstil entwickelte sich in seinem Loft. Neben B-Boying und Voguing wird "Lofting" heute in Tanz-Workshops auf der ganzen Welt unterrichtet.

Mancuso selbst wurde nie zum DJ-Star. Pro Wochenende in vier oder fünf Clubs aufzulegen und auf einer möglicherweise schrecklich klingenden Anlage für zwei Stunden eine Show abzuziehen, wäre ihm ein Graus gewesen. Aber wenn es irgendwo Leute gab, die von seiner Loft-Idee begeistert waren und ihm brillanten Sound garantierten, kam er gern und spielte seine Platten. In Los Angeles und Tokio. Auch ohne Mancuso, der am Montag in New York im Alter von 72 Jahren gestorben ist, wird es weiter Partys in seinem Namen geben. Die nächste findet am 4. Dezember in London statt. Natürlich nicht in einem regulären Club, sondern in einem ehemaligen Gemeindezentrum.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: