Nachruf:Der Russenversteher

Der Historiker Bernd Bonwetsch war keiner, der in Talkshows ging, um klarzumachen, wie man mit den Russen umgehen soll. Er war neugierig, unbefangen und gründete das Deutsche Historiker-Institut in Moskau. Jetzt ist er gestorben.

Von Sonja Zekri

Der Osteuropahistoriker Bernd Bonwetsch war keiner, der in die Talkshows ging, der sich nach vorn drängte, um jetzt mal klar zu machen, wie man mit Russland und den Russen umgehen solle. Er ging einfach mit ihnen um, den Russen, auf eine so unbefangene, neugierige, fern aller Ideologien dennoch nie naive Weise, dass allein dies zu sehen wohl tat, ganz gleich, welche politischen Spannungen sonst in der Luft lagen.

Bonwetsch, der 1940 in Berlin geboren wurde, in Hamburg, Berlin und Stanford studiert hatte und mehr als 20 Jahre lang an der Ruhr-Universität in Bochum lehrte, unterbrach den ruhigen Fluss des Professorenlebens immer wieder, mal, um im sibirischen Kemerowo zu lehren, mal, um den kasachischen Bildungsminister zu beraten. Im Herbst 2009 zog er noch einmal nach Russland, gründete das Deutsche Historische Institut Moskau, das jüngste der Historischen Institute, in einer Ecke des riesigen Instituts für Gesellschaftswissenschaften. Bonwetsch, der über die russische Revolution, den Stalinismus und den Zweiten Weltkrieg arbeitete, war ein Kind des Kalten Krieges. Dass er in russischen Archiven forschen durfte, hielt er stets für ein Wunder. Kurz vor dem 100. Jahrestag der Oktoberrevolution ist Bernd Bonwetsch am Freitag in seinem Haus im dänischen Ebeltoft gestorben.

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