Nachruf Brian Friel:Drama der Heimat

Brian Friel dies at 86; Brian Friel

Heimat war Brian Friels großes Thema. Sein letztes Stück "The Home Place" erzählt von einem Mann, zerrissen zwischen zwei Ländern, zwei Identitäten.

(Foto: dpa/Aidan Crawley)

Er war einer der größten modernen irischen Theaterautoren, wurde mit Tschechow verglichen und hat den mehrfach bearbeitet. Im Alter von 86 Jahren ist Brian Friel gestorben, der Dramatiker der (irischen) Sehnsucht nach Heimat.

Von Alexander Menden

Als sein Stück "Lughnasa Tanz", nur ein Jahr nach der Uraufführung 1990, eine Produktion am New Yorker Broadway erlebte - für viele englischsprachigen Autoren die höchste Adelung -, bemerkte Brian Friel nur: "Der Broadway ist ein vulgärer Ort, an dem theatrale Handelsware gekauft und verkauft wird." Das war keine Undankbarkeit. Friel war nur nicht bereit, sich zu verstellen. Seine offene Distanz zum Kommerz änderte nichts am Erfolg des Dramas, das die Geschichte der Familie Mundy im irischen Bellybeg erzählt. Es gewann einen Tony als Bestes Stück, wurde mit Meryl Streep verfilmt, und ist heute nach Becketts "Warten auf Godot" das meistgespielte irische Drama.

Daran, dass Brian Friel einer der bedeutendsten irischen Dramatiker des Jahrhunderts war, gab es Anfang der Neunzigerjahre längst keinen Zweifel mehr. Zuletzt war er ein "National Treasure", in Irland wurden Festivals, Theater und Universitätsinstitute nach ihm benannt. Dennoch hat er selbst sich nie ins Rampenlicht gedrängt. Als katholischer Ire zwischen den politischen und konfessionellen Fronten seiner Heimat fand er in sich selbst genügend Stoff. Die Dualität, die Gespaltenheit der irischen Identität manifestierte sich sogar in seinem unsicheren Geburtsdatum; es konnte nie genau eruiert werden, ob er am 9. oder 10. Januar 1929 auf die Welt kam. Er selbst kommentierte das mit typischer Trockenheit: "Vielleicht bin ich Zwillinge."

Geboren und aufgewachsen als Sohn eines Schulrektors und einer Postbeamtin im nordirischen Omagh strebte Friel zunächst selbst eine Lehrerlaufbahn an, wandte sich aber in den frühen Sechzigerjahren ganz dem Schreiben zu. Die Möglichkeiten des Theaters erkannte er bezeichnenderweise nicht in Irland, sondern bei einem Aufenthalt in Minneapolis, wo er den britischen Regisseur Tyrone Guthrie einige Zeit bei der Arbeit beobachtete.

Friels erster großer Erfolg, "Philadelphia, here I come" (1964), handelte denn auch vom uririschen Thema Auswanderung. "Philadelphia", sagte er, befasse sich mit einem Aspekt der irischen Realität, die "verarmt, spirituell unbefriedigend und frustrierend" sei. Die Tragikomödie, die am Vorabend der Abreise des jungen Gareth O'Donnell aus Bellybeg nach Amerika spielt, machte Friel schlagartig berühmt, in Dublin, London und New York.

Das fiktive Örtchen Bellybeg war Schauplatz vieler seiner Dramen, über den nordirischen Bürgerkrieg, Sprache und Autorität, Erinnerung und Exil und immer wieder das Konstrukt "Familie", seine Zerrissenheit und Verletzlichkeit. Vergleiche mit Tschechow wurden von irischen Kommentatoren schon früh gezogen. Trotz sich verschlechternder Gesundheit blieb Friel produktiv und widerstandsbereit. Sein Stück "The Home Place" sollte 2007 amerikanische Premiere am Broadway feiern. Aber es herrschte Uneinigkeit über die Besetzung. So spielte man es schließlich in Minneapolis, dort, wo alles angefangen hatte. Am vergangenen Freitag ist Brian Friel, der nie einen Literaturnobelpreis gewann, mit 86 Jahren im irischen Greencastle gestorben.

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