Nachruf auf Gudrun Wagner:Frau im Feuer

Hinter den Kulissen war Gudrun Wagner die heimliche Chefin auf dem Grünen Hügel: Nun beklagt Bayreuth ihren Verlust. Der Tod der 63-Jährigen am Morgen kam auch für ihr engstes Umfeld völlig überraschend.

Michael Struck-Schloen

Böse Zungen sagen den Bayreuther Festspielen oft nach, dass hinter den Kulissen, mit familiären Streit und Zank, immer nur die Musikdramen von Stammvater Richard Wagner nachgespielt würden. Tatsächlich erinnert der greise Enkel Wolfgang Wagner immer wieder an den durch Verträge geknebelten, doch selbstherrlichen Göttervater Wotan und seine Frau Gudrun an die heimliche Walhall-Chefin Fricka, rivalisierende Kinder an die Walküren.

Nachruf auf Gudrun Wagner: Gudrun Wagner bei der Eröffnung der Bayreuther Festspiele 2006.

Gudrun Wagner bei der Eröffnung der Bayreuther Festspiele 2006.

(Foto: Foto: Getty Images)

Nun ist Bayreuth von einer Katastrophe heimgesucht worden, die so nicht in Richard Wagners Textbüchern steht. Gudrun Wagner, die zweite Ehefrau des Festspielchefs, ist am Mittwochmorgen mit 63 Jahren an den Folgen einer Operation gestorben. "Tief bewegt und in stiller Trauer" hat der 88-jährige Wolfgang Wagner die Todesnachricht bekanntgegeben, die nicht nur das Festspielunternehmen traumatisiert, sondern auch den Kritikern der Verstorbenen das Blut in den Adern gefrieren lässt.

Denn obwohl Wolfgang Wagner bis heute lebenslang als alleiniger Leiter der Festspiele amtiert, war dem Flurfunk auf dem Grünen Hügel doch immer wieder zu entnehmen, wem die Detailorganisation und zuweilen gewichtige künstlerische Entscheidungen oblagen: nämlich Gudrun, der einstigen Vorzimmersekretärin, die nach der Ehe mit dem Wissenschaftler Dietrich Mack (Mitherausgeber der Cosima-Tagebücher) 1976 Wolfgang ehelichte.

"Kulturbetrieb in Nordbayern sucht Mitarbeiter" - auf diese betont nüchterne Anzeige hin hatte sich die aus Ostpreußen stammende Gudrun Armann 1966 bei den Bayreuther Festspielen beworben und schnell Karriere als umsichtige und zupackende Mitarbeiterin gemacht. Doch warf die Vorgeschichte der Hochzeit und die regelrechte "Verstoßung" von Wagners erster Gattin Ellen und seinen Kindern Gottfried und Eva (verheiratete Pasquier) ein Zwielicht auf die zweite Ehe, das sich nie mehr klärte.

Spätestens bei ihrer offiziellen Bewerbung für die Nachfolge ihres Mannes 2001 wurde Gudruns eigener Machtanspruch klar, der sie in eine direkte Linie mit den Wagner-Heroinen Cosima und Winifred stellte. Nur dass Gudrun diesmal nicht reüssierte, sondern vom Stiftungsrat zugunsten von Eva Wagner-Pasquier abgelehnt wurde - eine Entscheidung, die Wolfgang Wagner freilich ignorieren konnte. Also trat er von seinem Rückzug zurück.

Als "Frau im Feuer", wie sich Gudrun Wagner selbst gern bezeichnete, stand sie für eine straffe Organisation der Festspiele - aber auch für eine forcierte Spaltung der Familie und für den Erhalt des künstlerischen Status quo. Den versucht ihre junge Tochter Katharina inzwischen zu eigenen Gunsten zu überwinden. Die "Spaltung" hemmt die nötige Reform der Festspiele, Gudruns Andenken sollte einen Neubeginn nicht verhindern.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: