Nachruf auf Evelyn Hamann:Komik in zarter Verzweiflung

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Im Angesicht der Nudel versuchte Evelyn Hamann Haltung zu bewahren - und bescherte damit komische Momente für die Ewigkeit.

Hans Hoff

Sie haben da was... - Ein Satz für die komische Ewigkeit, weil dazu nur noch die Begriffe Loriot und Nudel kommen müssen, schon formt sich vor dem geistigen Auge ein unverwechselbares Gesicht. Eines mit starren Augen, eingefrorener Miene und unmöglicher Oma-Frisur. Dazu kommt der immer wieder abgewürgte Versuch, sich zu Wort zu melden, und die Einsicht, dass es keineswegs die immer wieder neu deplatzierte Nudel in Loriots Antlitz ist, die dieser Szene ihren Ausdruck verleiht.

Klein, rundlich und blond war sie nicht gerade - Loriot erkannte in Evelyn Hamann zum Glück trotzdem seine ideale Partnerin. (Foto: Foto: dpa)

Die Komik strahlt vielmehr aus Evelyn Hamanns Gesicht, aus ihrer Starre, aus dem verzweifelten Bemühen, die Form zu wahren und der parallel schwellenden Gefahr, im nächsten Moment zu bersten vor lauter Anspannung.

In solchen Momenten war Evelyn Hamann immer am besten. Wenn es galt, Haltung zu bewahren, obwohl diese erst zart, dann zunehmend heftiger von verunsichernder Wucht erschüttert wurde. "Gwyneth Molesworth hatte für Lord Hesketh-Forterscue in Nether Addelthorpe einen Schlipth... Verzeihung."

Wer je gesehen hat, wie Hamanns Zungenspitze tapfer mit dem britischen Ti-Äitsch kämpfte und am Ende doch verlor, wie sie ihre Altjungfern-Fassade langsam dem Einsturz entgegenbröckeln ließ, versteht schnell, wie sich großer Humor von billiger Comedy unterscheidet. Das eine bekommt man heute täglich bei den Privatsendern nachgeworfen, das andere leuchtet wie ein Diamant für die Ewigkeit.

Eigentlich hatte Loriot eine wie Evelyn Hamann gar nicht gewollt, als er sie Mitte der siebziger Jahre für seine Sketche vorsprechen ließ. Klein, rundlich und blond sollte seine Wunschpartnerin auf der Couch sein. Hamann war groß, dünn und brünett. Trotzdem wurde sie genommen, eine weise Entscheidung, wie die Geschichte belegt. Vorher hatte die Hamburgerin Theater gespielt, konnte sich aber durchaus vor Angeboten retten. Mit Loriot arbeitete sie von 1976 bis 1979 vor allem fürs Fernsehen ("Loriot I-VI"), danach trafen die beiden noch zweimal zusammen, für die Kinofilme "Ödipussi" und "Pappa ante portas".

Ein neues Ich besorgte das Chaos selbst

Auch nach der Zeit mit Loriot blieb der Spross einer Hamburger Musikerfamilie den Typen mit der starren Fassade und dem weichen Herzen treu. Sie spielte in der Schwarzwaldklinik die Frau Michaelis, jene rigorose Haushälterin der Arztfamilie Brinkmann, die sich, von den Männern enttäuscht, unnahbar zeigte, aber ihr Herz immer wieder öffnete für die Unglücklichen im Seifenoper-Schwarzwald. Auf dem "Traumschiff" war Hamann zu Gast, ebenso beim "Landarzt", und zwischendrin fand sie immer wieder Zeit für Theaterengagements, bei denen sie zur Abwechslung vom komischen Fach auch schon mal eine alkoholkranke Nachtclubsängerin gab.

Irgendwann fand sie zu einem neuen Ich. In "Adelheid und ihre Mörder" (ARD) war sie nicht länger die steife Tante, die sich um Contenance bemüht, da durfte sie von 1992 an die Pfiffige geben, die als unbedeutende Sekretärin den stumpfsinnigen Männern kriminalistisch auf die Sprünge half. Hamann schaffte es, diese Figur mit einer Leichtigkeit auszustatten, die ihre frühen Figuren nicht erahnen ließen.

Den Konflikt zwischen gelerntem Starrsinn und entgleisender Handlung trug sie nicht länger in ihrem Inneren aus, sondern verteilte ihn auf zwei Personen. Das Chaos besorgte sie, während ihr Chef sich mit der Kraft seiner amtlichen Arroganz immer wieder in Sackgassen begab, aus denen nur Adelheid ihn mit ihrem leicht spröden und durch und durch hanseatischen Wesen zu befreien mochte. Im besten Sinne mauserte sie sich zu einer Volksschauspielerin.

In der Nacht zum Montag starb Evelyn Hamann im Alter von 65 Jahren in Hamburg.

© SZ vom 30.10.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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