Nachrichten aus dem Netz (34):Wo das Netz zum Pranger wird

Das Internet hat in der arabischen Welt einen hohen Stellenwert. Es stößt allerdings schnell an Grenzen. Im schlimmsten Fall wird das Netz dann zum Pranger.

Niklas Hofmann

Das Internet hat - wie überall, wo es an demokratischen Strukturen mangelt - in der arabischen Welt einen hohen Wert. Für die einen bietet es einen Diskursraum jenseits der staatlich kontrollierten Medien, in dem auch politisch heikle Themen unzensiert verhandelt werden können.

Nachrichten aus dem Netz (34): Das Internet ist in der arabischen Welt hochgeschätzt

Das Internet ist in der arabischen Welt hochgeschätzt

(Foto: Foto: Reuters)

Anderen eröffnet es schlicht die Möglichkeit ihre Individualität zumindest virtuell so zu auszuleben, wie es in freieren Gesellschaften als selbstverständlich gilt. Für beide Gruppen aber sind die Grenzen der Offenheit, die Politik, Tradition und Religion setzen, schnell erreicht. Im schlimmsten Fall wird das Netz dann zum Pranger.

Ein kurzer, verwackelter Youtube-Clip, gedreht auf einer privaten Party in der Stadt Ksar el-Kebir, versetzte zuletzt Marokko in Aufregung. Das Fest, das ein stadtbekannter Homosexueller veranstaltet hatte, ließ islamische Traditionalisten in der Nachbarschaft zunächst nur murren. Als nach einigen Tagen Videoaufnahmen der Party ins Internet gestellt wurden, kam jedoch eine Lawine ins Rollen.

Weil auch ein als Frau verkleideter Mann auf den Bildern zu sehen ist, war schnell von einer "schwulen Hochzeit" die Rede. In den Youtube-Kommentarspalten häuften sich die Beschimpfungen, während in Ksar el-Kebir hasserfüllte Demonstranten das Lokal attackierte, in dem die Feier stattgefunden hatte. Auch diese Bilder fanden ihren Weg zu Youtube. Die Behörden sahen sich vom Mob zum Handeln gezwungen und verhafteten mehrere der Gäste, die auf dem Video zu sehen waren. Sie wurden wegen unzüchtigen Verhaltens inzwischen zu Haftstrafen verurteilt.

Wie schnell besonders bei moralischen Reizthemen die Grenzen der Toleranz erreicht sind, merkte auch das Bloggernetzwerk Mideast Youth, das sich zum Ziel gesetzt hat "extremistische Ideologien und Unwissenheit im Nahen Osten auszulöschen".

Eine von dem Netzwerk aufgezogene Seite über "sexuellen Terrorismus", die sich mit Menschenhandel und Zwangsprostitution in der Region beschäftigt, wurde vergangenen Monat von den Vereinigten Arabischen Emiraten für die einheimischen User gesperrt. Dass auf der Seite ausführlich über das Schicksal von Prostituierten in Dubai berichtet wurde, ging den Behörden am Golf offenbar zu weit.

Ähnliches erlebte jüngst der ägyptische Menschenrechtsaktivist und Blogger Wael Abbas. Er hatte auf Youtube Videos eingestellt, die Polizeigewalt und Folter in seiner Heimat dokumentieren. Mehrere Polizisten wurden wegen dieser Aufnahmen schon verurteilt. Ende November sperrte Youtube jedoch plötzlich Abbas' Zugang und löschte sämtliche Videos - angeblich wegen Beschwerden über deren gewalttätigen Inhalte.

Erst nach heftigen Protesten in der Blogosphäre und internationalen Medien, änderten die Youtube-Verantwortlichen ihre Meinung und stellte die Videos wieder online. Der Zusammenhang, in dem die Gewaltszenen stünden, sei nicht deutlich gewesen, erklärten sie entschuldigend. Abbas geht davon aus, dass sich die ägyptische Regierung bei Youtube über die Gewalt in seinen Videos beklagt hatte.

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