Nachrichten aus dem Netz:Keine Missverständnisse

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Nun gibt es ein Programm, das gesprochene Sprache in Echtzeit übersetzen kann.

Von Michael Moorstedt

Trotz unserer mächtigen Taschencomputer und all der leistungsfähigen Datenkabel unserer Zeit lassen sich die modernen Menschen nur selten von ihrer Technik beeindrucken. All die wundersamen Dinge sind einfach zu alltäglich geworden. Mit seinem Video-Chat-Dienst Skype hat Microsoft die Messlatte nun jedoch ein gutes Stück in Richtung Science-Fiction gelegt. Denn seit Kurzem kann das Programm gesprochene Sprache in Echtzeit übersetzen.

Seit der vergangenen Woche hat es nun auch Deutsch in das Wörterbuch der Software geschafft. Daneben werden Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch und Mandarin unterstützt. Insgesamt sollen es bald 40 unterschiedliche Sprachen werden. Eine körperlose Roboterstimme dient als Dolmetscher. Das Potenzial ist kaum zu überschätzen. Eine Welt ohne Missverständnisse kündigt sich da an.

Dass ihre Maschinen einst als Universaldolmetscher dienen würden, davon waren schon die frühen Computerwissenschaftler in den 1940er-Jahren überzeugt. Sprache schien prädestiniert dafür zu sein, von den Rechnern verstanden zu werden. Immerhin folgt sie klaren grammatikalischen und orthografischen Regeln. Es stellte sich jedoch schnell heraus, dass vor allem gesprochene Sprache viel zu vielen Mehrdeutigkeiten unterworfen ist, als dass sie von den damaligen Computern begriffen werden konnte. Da hilft selbst der größte Wortschatz nicht: Auch wenn man oft einen anderen Eindruck gewinnt - die Menschen reden zu subtil.

Bis vor kurzer Zeit waren die Übersetzungsprogramme noch unerhört schlecht. Ja, es gab sogar nicht ganz ernst gemeinte Webseiten, die Texte mehrfach zwischen zwei Sprachen hin- und herübersetzten. Der Nutzer konnte dann mit aufrichtiger Verwunderung dabei zusehen, wie die Software immer neue Fehler einbaute, bis ihr der ursprüngliche Sinn vollkommen entglitt. Die digitale Entsprechung der Flüsterpost, wenn man so will.

Wie konnte es von diesen ungelenken Programmen zu einer simultanen Übersetzung kommen? Wie so oft in letzter Zeit sind neuronale Netzwerke und selbstlernende Maschinen ausschlaggebend für den Durchbruch. Das heißt, dass sich die Software nicht mehr stupide an einem Wörterbuch entlanghangelt, sondern mit jedem neuen Satz, den man ihr zuflüstert, ihren Benutzer ein bisschen besser versteht. Man muss nur in Kauf nehmen, dass die eigenen Konversationen aufgezeichnet werden.

Bald schon könnte also die ganze Welt untertitelt sein. Ein veritables Utopia. Immerhin wird die Sprachverwirrung schon seit dem Alten Testament als göttlicher Fluch wahrgenommen. Doch man löst nun mal kein uraltes Problem der Menschheit ohne gewisse Wachstumsschmerzen. Die Grammatik ist selten einwandfrei. Wenn sich die Gesprächsteilnehmer einmal unterbrechen, kommt die Software ins Stolpern. Trotzdem versteht man aber zumeist, was das Gegenüber meint. Um einen allgemein verständlichen Vergleich zu bemühen: Die Maschinen sind bislang in etwa auf dem Level der Simultanübersetzer bei "Wetten, dass . .?"

© SZ vom 22.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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