Nachrichten aus dem Netz:Hier ist Bier drin

Das Internet der Dinge ist bislang eine ziemliche Enttäuschung. Innovation sieht anders aus, als Wlan-Module und RFID-Chips in Gegenstände zu verbauen.

Von Michael Moorstedt

Es gibt heute smarte Teekessel, Gürtel, Socken, Koffer, Regenschirme, Pfannen, Windeln, Zahnbürsten, Vibratoren, Aquarien und Gläser. Die Aufzählung ließe sich ohne Mühe fortsetzen.

Das Blog weputachipinit.tumblr.com sammelt so etwas als Beispiele für eine bestimmte Mentalität. Denn jeden Monat taucht irgendwo ein Start-Up auf und erklärt sein Produkt in atemlosen Videos zum "weltweit ersten smarten" Was-auch-immer. Doch wie viel Potenzial steckt in einem Glas, dessen Hersteller schwärmt, dass es nun möglich sei, "seine Trinkbedürfnisse in Echtzeit zu überwachen?"

Das sogenannte Internet der Dinge, schreibt Ian Bogost deshalb im Atlantic, sei bislang eine ziemliche Enttäuschung. Innovation sehe anders aus, als WLAN—Module, Bluetooth-Empfänger und RFID-Chips in bislang analoge Gegenstände zu verbauen. Die Kolonisierung der Realität durch Computer sei größtenteils zum Selbstzweck verkommen.

Vom ubiquitous computing war einmal - in den 1980-ern, 1990-ern - die Rede. Also von allgegenwärtigen Rechnern. In seinem Aufsatz "The Computer in the 21st Century" schrieb Mark Weiser, der am PARC-Forschungszentrum in Palo Alto arbeitete: "Im 21. Jahrhundert wird die technologische Revolution das Alltägliche und Unsichtbare sein." Man werde Computer benutzen, ohne darüber nachzudenken.

Nach Hard- und Software sollte es bald die "Everyware" geben. Doch statt den "Dingen, die denken", wie es eine Forschungsgruppe des MIT formuliert hat, haben wir nun unzählige Alltagsgegenstände, die nichts weiter tun, als Datenmüll zu produzieren. Das smarte Glas informiert darüber, dass sich Bier in ihm befindet.

Anstatt die Komplexität des Alltags zu reduzieren, sorgen die Geräte dafür, dass sich eine weitere Ebene zwischen Mensch und Gerät legt. Technik ist nicht unsichtbar, sie könnte kaum offensichtlicher sein. Die Welt erschließt sich nur noch mithilfe der entsprechenden App. Wir müssen unser Leben um unsere Gadgets herum organisieren. Und einen Endnutzervertrag unterschreiben, um unsere smarten Gabeln benutzen zu dürfen. All das, um ein bisschen mehr Effizienz zu erzwingen.

Im besten Fall, so schreibt Bogost in seiner Abrechnung, hat man in Zukunft einen Haufen Haushaltsgeräte, die permanent aufgeladen werden müssen, um zu funktionieren. Im schlimmsten Fall aber ein Sicherheitsrisiko. Denn eines können sie sehr gut: Nutzerdaten sammeln und verwerten.

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