Nachrichten aus dem Netz:Googles schwächliches Kind

Mit dem Google-Produkt Sidewiki können Nutzer auf jeder Internetseite Kommentare posten. Blogger sehen dadurch den freien Diskurs in Gefahr.

N. Hofmann

Wenn sich der selbsternannte "Google-Fanboy" Jeff Jarvis und der notorische Netz-Pessimist Andrew Keen in der Ablehnung einer Sache einig sind, dann kann man von Gegnerschaft auf denkbar breitester Front sprechen.

Sidewiki, eine neue Google-Anwendung, die es erlaubt Kommentare zu jeder beliebigen Internetseite zu hinterlassen, hat eine solche Reaktion hervorgerufen. Jarvis hält Sidewiki für eine "Gefahr" und fürchtet den Verlust von Kontrolle über den Diskurs in den Blogs. Keenan sieht in Sidewiki "einen dreisten Versuch, sich das Internet anzueignen". Google "entführe die Kommentare", um sie für eigene Zwecke zu nutzen, meint auch der britische Jurist und Blogger Nick Holmes.

Sidewiki funktioniert über den Google Toolbar, eine Leiste mit Zusatzfunktionen, die der Nutzer auf seinem Browser installieren muss. Die Sidewiki-Einträge sind auch nur von Personen einsehbar, die das Programm ebenfalls heruntergeladen haben.

Die Betreiber der Seite können die Kommentare nicht kontrollieren. Google räumt ihnen aber großzügig ein privilegiertes Kommentarrecht ein. Deaktivieren können sie Sidewiki für die eigene Seite jedoch nicht.

Auch Blogger wie der streitbare Amerikaner Andrew Sullivan werden nun mit einer externen Kommentarspalte zwangsbeglückt. Ein Nutzer machte beim Google-Support seinem Unmut Luft: "Es ist nichts anderes als Graffiti auf meiner Seite, und ich will dass das aufhört, bevor die Farbe draufgeschmiert wird."

Zwar hat Sidewiki die üblichen Kommentarregeln und will durch einen Algorithmus sicherstellen, dass die relevantesten Kommentare nach oben rutschen. Im Fall der Startseite des britischen Guardian sind dies dann aber die länglichen Ausführungen eines Islamophobikers, der beklagt, dass die Zeitung Stimmen wie seine systematisch unterdrücke. Ansonsten dominieren Belanglosigkeiten, wie die des Spiegel-Online-Lesers, der mitteilt, dass er "die Aktualität der News" auf der Nachrichtenseite "einfach genial" finde.

Nach über zwei Wochen wirkt Sidewiki wie ein sehr schwächliches Kind der großen Mutter Google. Selbst zu viel besuchten Seiten werden seit dem ersten Hoch gleich nach dem Sidewiki-Start kaum noch Anmerkungen hinterlassen. Die Kommentatoren scheinen Google vorerst entwischt.

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