Nachrichten aus dem Netz (64):Eine Fischerin namens Palin

Zwischen Zeitungen und der Blogosphäre läuft ein Wettlauf um Details aus dem Leben der republikanischen Vizepräsidentschaftskandidatin Palin. Die Blogger haben dabei eindeutig einen Vorteil.

N. Hofman

Als Sarah Palin als Vizepräsidentschaftskandidatin der Republikaner präsentiert wurde, traf das die Journalisten der klassischen Medien genauso unvorbereitet wie die Blogosphäre. Sofort begann der Wettlauf um Details aus dem Lebenslauf der Kandidatin.

Nachrichten aus dem Netz (64): Sarah Palin und ihr Mann Todd geben Autogramme.

Sarah Palin und ihr Mann Todd geben Autogramme.

(Foto: Foto: AP)

Fast im Stundentakt kamen "Troopergate", die Entlassung von Mitarbeitern im Rathaus von Wasilla, abfällige Äußerungen über Hillary Clinton, ihre Geringschätzung des Vizepräsidentenamts und vieles mehr ans Licht. Der Vorteil lag bei den Bloggern. Dies sei, befand David Sarno, der Internetexperte der Los Angeles Times, keine Geschichte für die Morgenzeitungen: "Wer will schon so lange warten?".

Wichtigste Quelle im Netz wurde das Online-Archiv der Anchorage Daily News, der größten Tageszeitung Alaskas. Seit letzter Woche informieren sich täglich bis zu 1,5 Millionen Menschen auf adn.com - wohl hauptsächlich über die Vergangenheit von Palin.

Die Zeitung hat ältere Artikel eigens digitalisiert. So auch ein Stück aus dem Jahr 1996. Eine Fischerin namens Sarah Palin berichtete damals, ihren Mann angeschwindelt zu haben, um zu einer Parfümpräsentation von Ivana Trump zu fahren, weil "wir in Alaska so verzweifelt nach jedem Funken Glamour und Kultur lechzen".

Auch Palins Heimatzeitung aus Wasilla, der Mat-Su Valley Frontiersman, der nur ein lückenhaftes Online-Archiv hat, digitalisiert mittlerweile nach. Die Mühe der Recherche im Papierarchiv hatte sich das McCain-Team nach Angaben der Redaktion nicht gemacht. Die Kampagne beklagt sich unterdessen, dass die Medien Palins Privatsphäre verletzten.

Aber die großen Zeitungen und Fernsehnetworks beschäftigten sich mit Palins Kindern erst, nachdem die Gouverneurin selbst die Schwangerschaft ihrer Tochter Bristol bekanntgegeben hatte. Anders die Blogger. Das linke Sammelblog DailyKos hatte noch vor wenigen Monaten einen Autor gesperrt, der über die Affäre des Demokraten John Edwards geschrieben hatte. Doch am Tag nach Palins Nominierung wurde das Gerücht weiterverbreitet, der neugeborene behinderte Sohn Trig sei nicht der Sohn der Gouverneurin, sondern der von Bristol.

Der konservative, aber obamabegeisterte Kommentator Andrew Sullivan vom Magazin Atlantic Monthly gab das unbelegte Baby-Gerücht in seinem Blog ebenfalls wieder. Zwar ruderte er nach der Bekanntgabe von Bristols Schwangerschaft etwas zurück, verlangt aber nach wie vor, dass Palin die Krankenakte über Trigs Geburt offenlegen solle.

Von Bloggern aus dem McCain-Lager wird er seitdem heftig beschimpft. Sullivan zur Seite sprang der demokratische Blogger Mickey Kaus, der hartnäckig auch die Geschichte um Edwards' Seitensprünge verfolgt hatte und sich damit am Ende bestätigt sah.

Selbst nicht belegte Gerüchte könne man im Netz ruhig veröffentlichen, meint Kaus: "Die Sensationsgier der Öffentlichkeit spült auch die Gegenbeweise schnell nach oben (und diese Beweise erhalten dann viel Aufmerksamkeit.)" So habe schließlich DailyKos das Gerücht um Palins Baby nicht nur verbreitet, sondern mit der Veröffentlichung eines Fotos auch am wirksamsten bekämpft.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: