Nachrichten aus dem Netz (35):Ein Ding der Unmöglichkeit

Der Internethändler Amazon verkauft jetzt radioaktives Uran und Ein-Personen-Panzer. Doch im Netz finden sich noch verwegenere Produktideen, vom Google-Treffer-Ring bis zur Eigenurin-Heizung.

Christian Kortmann

Auch mit der schnellsten Versandmethode käme es nicht mehr pünktlich unter den Weihnachtsbaum, aber wer bei Amazon.com eine Dose radioaktives Uranerz bestellt, sorgt auch nachträglich bei seinen Lieben für strahlende Augen.

Amazon versichert, dass es sich beim Uran um ein legales Angebot handelt, das etwa zum Testen von Geigerzählern nützlich ist. Die User sehen vor allem den skurrilen Aspekt des Produkts und pflegen im Bewertungsforum eine ironische Kommentarkultur - bis hin zum Limerick: ,,Now Amazon's got it in stock / I'll admit that one came as a shock / An ore in a tin / Radioactive within / With a four-million year ticking clock.'' In der Kategorie der verwandten Produkte sind andere Amazon-Seltsamkeiten aufgelistet: der Ein-Personen-Panzer, ein Kanister Wolfsurin, diverse Ufo-Detektoren.

Im Netz findet man neben bizarren Produkten auch solche, die es in der Realität noch gar nicht gibt. Als Designstudien illustrieren sie ganze Ideenräume: Philippe Kindelis zum Beispiel hat eine archaisch-futuristische TV-Fernbedienung entworfen, bei der Sender und Lautstärke reguliert werden, indem man Metallringe in wassergefüllten Reagenzgläsern bewegt und so den Leitungswiderstand verändert. Kindelis möchte durch die eigentlich tabuisierte Paarung von Wasser und Elektrogeräten ein sinnliches Ritual des Technikgebrauchs ermöglichen.

Und legt unter dem Motto ,,Das neue Grün ist gelb'' gleich noch mit Plänen für eine Bio-Heizung nach, die mit Eigenurin betrieben wird. Es gelte, durch ein geschlossenes Wärme-Kreislaufsystem nicht ein Milligrad Körpertemperatur zu verschwenden.

Bessere Marktchancen hat freilich der Google-Vanity-Ring des Künstlers Markus Kison.

Auf dem Display seines Eitelkeitsfingerschmucks wird die Zahl der Treffer angezeigt, die der Name des Trägers bei der Suchmaschine Google erzielt. Bekanntlich googeln auch Personalchefs gerne den Namen eines Bewerbers.

Zum Ende der Geschenkewahnsinnssaison wirken die Designstudien wie satirische Überhöhungen eines Marktes, der stets neue Bedürfnisse zu erzeugen versucht. Wie beim Regenschirm mit eingebauter Wasserpistole wird die Frage "Wer soll das kaufen?" einfach ignoriert.

Dem Netz-Flaneur bereitet es ohnehin mehr Vergnügen, diese Accessoires in Gedankenspielen zu benutzen als sie zu besitzen. Und: Nicht existierende Produkte müssen auch nicht umgetauscht werden.

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