Nachrichten aus dem Netz:Die Verschwiegenheit der Maschinen

Google hatte für einen Rassismus-Skandal gesorgt: Wer "nigga house" suchte, wurde auf das Weiße Haus verwiesen. Ein Lapsus? Keineswegs: Gezeigt wurde der reale Rassismus im Netz.

Von Michael Moorstedt

Rassismus-Skandal bei Google. In etwa so tickerten in der vergangenen Woche Meldungen durchs Vermischte, als bekannt wurde, dass der Kartendienst Maps das Weiße Haus als Treffer listet, wenn nach den Worten "nigga house" gesucht wurde. Barack Obama war nicht als Einziger von der Diffamierung durch die Software betroffen. Wer nach den Worten "Slut House" sucht, den führte Google Maps zu einem Studentenwohnheim in Indiana, bei "Crack House" landete man in der Filiale einer Restaurantkette in Hollywood.

Wenn solche Berichte durch die Medien gehen, heißt es oft, es waren "Hacker" am Werk. Tatsächlich war bis vor einigen Jahren das sogenannte Googlebombing eine Art ziviler Ungehorsam im Netz. Da Googles Page-Rank-Algorithmus die Webseiten damals ausschließlich nach der Zahl der auf sie verweisenden Links gewichtet hatte, konnte man Adressen künstlich aufwerten. Dafür brauchte es ein paar nähere Kenntnisse in der HTML-Sprache und genügend Leute, die mitmachten. Die Links wurden dann mit beliebigen Wörtern verknüpft. Wenn man etwa "miserable failure" eingab, landete die Website von George W. Bush ganz oben in der Trefferliste.

Im aktuellen Fall kann man die Schuld nicht so leicht abwälzen. Denn der Algorithmus wurde überhaupt nicht manipuliert. Im Gegenteil: Er funktioniert viel zu gut. Nach einem Update im vergangenen Jahr nutzt Google nun Crowdsourcing. Um die Suchergebnisse aktuell zu halten und einen nützlichen Kontext zu gewährleisten, durchsuchen Googles Programme also permanent Online-Foren, Blogs und Kommentare nach Beschreibungen und Bewertungen von Orten. Finden sie genügend Übereinstimmungen, werden die Daten mit den entsprechenden Orten verknüpft.

Wie alle anderen Medien zeigt auch Google nicht die objektive Realität. Sondern nur eine Variante, von der hier Maschinen annehmen, dass die Nutzer sie sehen wollen - und diese wird durch den kleinsten gemeinsamen Nenner vorgegeben: der Sprache der Nutzer. Mit anderen Worten: Google Maps zeigt sich deshalb rassistisch, weil das Netz so ist. Oder zumindest ein größerer Teil, als man wahrhaben möchte.

Inzwischen ist der "Lapsus" behoben. In einem Duktus, der einem Weltkonzern gar nicht gut steht, hat sich Google auch längst dafür entschuldigt, in dieser Sache ein bisschen "Mist gebaut" zu haben. Man werde in Zukunft dafür sorgen, dass so etwas nicht mehr vorkommt.

Im Zweifel wird also in naher Zukunft irgendwo in geheimen Algorithmen ein Komma verschoben oder ein Parameter geändert und so ein Schalter umgelegt, der gewisse Wörter filtert.

Das Weiße Haus wird in der Karten-Software dann wieder ganz offiziell als Amtssitz des US-Präsidenten markiert sein. Es bleibt nur die Frage, ob es ausreicht, so zu tun, als würden die Stimmen der Unverbesserlichen nicht existieren, um sie zum Schweigen zu bringen.

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