Nachrichten aus dem Netz:Das digitale schwarze Loch

Eine neue Suchmaschine namens Memex soll das "Deep Web" erfassen - jene 90 bis 95 Prozent des Internets, die niemals in gängigen Suchmaschinen wie Google auftauchen.

Von Michael  Moorstedt

Es ist heutzutage recht leicht, sich ein bisschen unzulänglich vorzukommen, so als Mensch. Wenn Google zum Beispiel mal wieder in Nullkommanichts das Wissen der Welt ins Browserfenster hinein spuckt. Ungefähr 94 900 000 Ergebnisse in 0,27 Sekunden steht dann da geschrieben, je nachdem wonach man gerade sucht.

Etwas weniger eindrucksvoll ist das ganze, wenn man weiß, dass Google und Konsorten das Internet natürlich nicht in Echtzeit durchsuchen. Vielmehr speichern sie nur Kopien der Webseiten auf den eigenen Servern und indexieren Texte und Links. Man durchsucht also eigentlich nicht das Internet, sondern nur dessen aktuelle Abbildung in den Datenbanken von Google.

Der Maschinenzauber verbleicht noch mehr, wenn man weiß, dass die Suchmaschinen einen Großteil des Internet bei ihrer Arbeit gänzlich ignorieren. Etwa 90 bis 95 Prozent aller digital existierenden Inhalte gelangen niemals in die Trefferlisten. Die Rede ist dann vom sogenannten Deep Web. Einer riesigen Masse von unstrukturierten Daten, nach groben Schätzungen mehr als 500 mal so groß wie das sichtbare Netz. Es ist ein digitales Schwarzes Loch, in das niemand so recht Einblick hat.

Eine neue Suchmaschine namens Memex soll die unsichtbare Sphäre nun enthüllen. Unter der Schirmherrschaft der DARPA, des Forschungsinstituts des US-Verteidigungsministeriums, das die Urform des Internet auch entwickelt hat, arbeitet eine ganze Reihe von illustren Institutionen und Forschungseinrichtungen an dem Projekt. Die Memex hat auch schon einen ganz konkreten Anwendungsfall. Sie soll Menschenhandel und Schlepperei bekämpfen. Nach Ansicht der Forscher operieren die Hintermänner vor allem in Teilen des Deep Web. Sie schalten dort Anzeigen, um ihre Opfer anzulocken.

Wie aber funktioniert die Hypersuchmaschine? Selbstlernende Software analysiert große Datenmengen, die aus Text und Multimediainhalten bestehen, und versucht, aus den Daten selbständig Verbindungen zwischen Personen und Gruppen herzustellen. Die gesammelten Informationen werden zusammen mit Standortdaten durch Memex visualisiert und sollen es den Fahndern erlauben, Bewegungsprofile möglicher Täter zu erstellen.

Seinen Namen leiht sich das Programm übrigens von Gedankenexperiment des Computerpioniers Vannevar Bush aus den Vierzigerjahren. Da war die Memex ein "Gerät, in dem ein Individuum alle seine Aufzeichnungen und Kommunikation speichert und das mechanisiert ist, so dass es mit steigender Geschwindigkeit und Flexibilität zu Rate gezogen werden kann." Es sollte eine Gedächtniserweiterung sein. Bald wird die Utopie von einst Realität sein.

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