Nachrichten aus dem Netz:Da bin ich

Google bietet eine neue Funktion an: Wer mitmacht, lässt sich überall verfolgen. In Echtzeit erfahren die Freunde, wo man sich gerade aufhält.

Von Michael Moorstedt

Manchmal wirken die Worte "schon bald" und "weltweit" ziemlich bedrohlich. Schon bald nämlich, kündigte Google vergangene Woche an, werde weltweit eine neue Funktion in seinem Kartendienst Maps aktiviert werden. Mit der könne man dann aller Welt - oder zumindest der eigenen Freundesliste - seinen eigenen Standort in Echtzeit mitteilen.

Man ist es inzwischen ja gewohnt, eine gute Übersicht über die Vorgänge in der Welt zu haben. Mit der entsprechenden App sieht man auf einer Karte, wie sich das gerade gerufene Taxi nähert, an welcher Straßenecke der Lieferbote mit dem georderten Essen steht und wo das Amazon-Paket feststeckt. Wenn das schon bei Waren und Dienstleistungen möglich ist, warum dann nicht auch bei Menschen?

Man teilt also seinem sozialen Zirkel nicht nur die eigenen Befindlichkeiten mit, sondern auch, wo man sich befindet. Zugleich sieht man in der Draufsicht der Karte wie die Mini-Porträts der Freunde und Bekannten wie in einem Videospiel durch die Stadt wuseln. Dass diese neue Funktion kommen musste, ist nur logisch. Schließlich ist jedes Status-Update immer auch eine Bitte um Beachtung; ein kleines, aber bestimmtes "Hier bin ich! Nehmt mich wahr!" Und was ist schon elementarer als auf den eigenen Standort hinzuweisen? Kein Wunder, dass die Begeisterung der notorischen Early Adopter groß ist.

Natürlich haben sich direkt nach der Ankündigung von Google auch die ersten Bedenkenträger zu Wort gemeldet. Was sei denn mit der Gefahr, dass manche Personen ohne ihr Wissen von einem eifersüchtigen Partner überwacht werden könnten? Und gibt es nicht auch immer wieder Berichte, wonach just bei jenen Menschen eingebrochen wurde, die tags zuvor noch ihre schönsten Urlaubsfotos live auf Facebook gepostet haben?

Man muss nicht einmal die ganz großen Fässer aufmachen, um zu der Erkenntnis zu kommen, dass ein permanentes Senden des Aufenthaltsortes auch Probleme mit sich bringt. Google gibt sich zwar alle Mühe, die Funktion als soziales Feature zu verkaufen. Man müsse seine Freunde nie mehr fragen, wo sie stecken, heißt es in der Pressemitteilung. Trotz allem geht es natürlich immer auch um Daten, die die Nutzer produzieren - und die sich prima vermarkten lassen. Wenn die Menschen schon bald wie kleine Drohnen durch die Stadt steuern und ihre Routen per Smartphone-GPS an die Google-Server schicken, lernt das Unternehmen eine Menge über die Rituale und Gewohnheiten der Menschen. Vielleicht sogar mehr als durch eine schnöde Suchanfrage.

Selbstverständlich sei das alles freiwillig, steht in der Ankündigung. Jeder Nutzer müsse die Funktion explizit einschalten, um sie nutzen zu können. Opt-in, heißt das in der Fachterminologie. Das sollte aber nicht unbedingt für Erleichterung sorgen. Es gibt schließlich genügend Beispiele in der Tech-Branche, bei denen aus dem freiwilligen Opt-in ganz schnell ein nicht verhandelbarer Zwang geworden ist.

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