Virtual Reality:Endlich in der Matrix leben

18th Ani-Com and Games Hong Kong fair

Wirkt nur von außen unsozial: Eine Frau spielt auf einer Messe in Hong Kong ein Virtual-Reality-Spiel.

(Foto: dpa)

Unternehmen versprechen "echte soziale Aktivitäten" in der virtuellen Realität. Dazu gehören schon jetzt allerdings nicht nur digitale Angelausflüge, sondern auch sexuelle Belästigung.

Von Michael Moorstedt

In der vergangenen Woche durften ausgewählte Journalisten mit Mark Zuckerberg sprechen. Auf die Frage, wie er die Zukunft seines Unternehmens sehe, antwortete er, dass man der Möglichkeit näher und näher komme, "das Erleben einer Person in Echtzeit aufzuzeichnen" und mit der ganzen Welt zu teilen. Möglich gemacht werden soll dies durch Virtual-Reality-Brillen. Videospiele und die durchaus beeindruckenden 360-Grad-Videos sind für Zuckerberg allerdings nur die Einstiegsdroge in die virtuelle Realität. Ihm geht es natürlich darum, durch die Technologie noch mehr Menschen noch engmaschiger zu vernetzen.

Doch Facebook ist kein Ein-Mann-Unternehmen mehr, sondern längst ein im Vergleich zur Start-up-Kultur der Netzökonomie recht schwerfälliger Weltkonzern. Während Zuckerberg also noch redet, setzen viele kleine Start-ups bereits ähnliche Konzepte um. Unternehmen wie Altspace-VR versprechen "echte soziale Aktivitäten" in der virtuellen Realität. Die Menschen sollen dort gemeinsam Filme anschauen, Museen besuchen, telefonieren.

Metaworld etwa nennt die Firma Hello-VR ihre soziale virtuelle Realität. Was man dort tun kann? Eigentlich nicht viel. Man kann sich an ein digitales Lagerfeuer setzen, digitale Angelausflüge unternehmen, Schach auf einem Brett spielen, das auf einem digitalen Baumstamm liegt. sich unterhalten. Aber auch wenn das Herumhocken mit einer Virtual-Reality-Brille vor den Augen für außenstehende Beobachter ungemein unsozial wirkt, erlaubt die Simulation doch ein gewisses Gefühl von physischer Präsenz des Gegenübers.

Es sei, sagen Menschen, die schon einmal dort waren, die Computerwelt, die der simulierten Realität aus der Matrix-Filmtrilogie am nächsten komme. Nur gibt es statt kränklich-grünem Fotorealismus eine quietschbunte Comicszenerie, in der glubschäugige Avatare Mickey-Mouse-Handschuhe tragen.

Die virtuelle Realität lebt nach dem Abschalten weiter

Metaworld ist eine sogenannte "persistente Welt". Das bedeutet, dass die Simulation nicht abgeschaltet wird, sobald sich der Nutzer ausloggt. Die Dinge laufen vielmehr auch dann weiter, wenn man nicht mehr online ist. Mit anderen Worten: Die nach einer Schachpartie wütend auf das Brett geworfenen Figuren liegen für den nächsten Besucher genau so unordentlich da, wie man sie hinterlassen hat.

Noch irren erst ein paar Tausend Aufgeschlossene durch digitale Landschaft wie diese. Und noch haben die Werbe-Abteilungen der großen Konzerne die digitale Welt nicht vereinnahmt, so wie sie es einst, vor beinahe zehn Jahren, beim großen, unperfekten Vorbild Second Life taten. Doch bereits jetzt werden erste Pressekonferenzen in der Simulation veranstaltet. Es ist also ungewiss, ob die virtuelle Realität der gewünschte Entwicklungssprung ist und das Netz als soziale Umwelt revolutioniert. Reicht es aus, dass die Menschen hier einen Körper haben, statt nur eines Nutzernamens, und dass lebensechte Gesten Emoticons ersetzen?

Dass die Technologie jedenfalls auf dem richtigen Weg zu sein scheint beim Versuch, den Alltag adäquat abzubilden, beweist ausgerechnet eine unerfreuliche Nachricht: Vor Kurzem sah sich Altspace-VR den Protesten von weiblichen Nutzern ausgesetzt. Sie fühlten sich von männlichen Avataren und deren anzüglichen Gesten sexuell belästigt.

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