Nach Debatte um sein Gedicht:Grass präzisiert Kritik an Israel

Nicht das Land Israel, sondern allein die Regierung Netanjahu habe er kritisieren wollen: Im Gespräch mit der "Süddeutschen Zeitung" erklärt Günter Grass, dass er sein Israel-Gedicht jetzt anders fassen würde. Die Kritik an seiner Person treffe ihn - besonders der "kränkende und pauschale Vorwurf des Antisemitismus".

Heribert Prantl

Der Literaturnobelpreisträger Günter Grass hat sich gegen Angriffe wegen seines umstrittenen Israel-Gedichts verteidigt und zugleich beteuert, er würde es jetzt anders schreiben. Im Interview mit der Süddeutschen Zeitung sagte Grass am Karfreitag, er würde nun seine Kritik präziser formulieren: "Ich würde den pauschalen Begriff 'Israel' vermeiden und deutlicher machen, dass es mir in erster Linie um die derzeitige Regierung von Premierminister Benjamin Netanjahu geht", sagte Grass.

Günter Grass im Jahre 2011

"Ich würde deutlicher machen, dass es mir in erster Linie um die derzeitige Regierung von Premierminister Benjamin Netanjahu geht": Günther Grass spricht im SZ-Interview über sein umstrittenes Gedicht "Was gesagt werden muss".

(Foto: dapd)

Der Schriftsteller hatte am Mittwoch in seinem Gedicht "Was gesagt werden muss" Israel vorgeworfen, mit seiner Iran-Politik den Weltfrieden zu gefährden. Darin schreibt er, Israel beanspruche für sich das Recht auf einen Erstschlag, der "das von einem Maulhelden unterjochte und zum organisierten Jubel gelenkte iranische Volk auslöschen könnte, weil in dessen Machtbereich der Bau einer Atombombe vermutet wird".

Im SZ-Interview sagte Grass nun, er hätte in seiner Kritik deutlicher zum Ausdruck bringen sollen, dass er die Politik der derzeitigen Regierung Israels habe treffen wollen: "Die kritisiere ich: Eine Politik, die gegen jede UN-Resolution den Siedlungsbau fortsetzt. Ich kritisiere eine Politik, die Israel mehr und mehr Feinde schafft und das Land mehr und mehr isoliert." Der Mann, der - so Grass - Israel zur Zeit am meisten schade, sei dessen Premier "Netanjahu - und das hätte ich in das Gedicht noch hineinbringen sollen."

Zu der massiven Kritik an seiner Person meinte Grass, diese treffe ihn nicht besonders: "Ich war immer gewohnt, dass meine Werke, große und kleine, auf heftige Kritik stoßen." Dennoch sei er enttäuscht darüber, dass "der kränkende und pauschale Vorwurf des Antisemitismus" gegen ihn erhoben worden sei. Nicht er, Grass, sei ein Friedensstörer, sondern die derzeitige Regierung in Israel, die mit "dem Iran und der Vermutung, dass dort eine Atombombe gebaut wird, einen Popanz" aufbauen würde. Er hoffe aber, dass sich die Debatte mit einem gewissen Abstand versachliche und dann über die Inhalte seines Gedichtes diskutiert würde.

Als einen wichtigen Punkt seiner Kritik nannte der Schriftsteller im SZ-Interview seinen Vorschlag, Israel und Iran unter atomare Kontrolle zu stellen. Er halte das für eine Möglichkeit, die Kriegsgefahr zu mindern.

"Schändliche moralische Gleichstellung Israels mit Iran"

Die Kritik an Grass' Gedicht riss auch am Karfreitag nicht ab. Israels Ministerpräsident Netanjahu reagierte empört. "Die schändliche moralische Gleichstellung Israels mit Iran - einem Regime, das den Holocaust leugnet und mit der Vernichtung Israels droht - sagt wenig über Israel, aber viel über Herrn Grass aus", sagte Netanjahu. Internationale Medien erinnerten daran, dass Grass als Jugendlicher Mitglied der Waffen-SS war. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, schrieb, Grass habe zwar die Waffen-SS verlassen, "aber offenbar hat die Judenfeindschaft der Waffen-SS Grass doch niemals verlassen".

Dazu meinte Grass im Interview, er sei entsetzt, wie jüngere Menschen über einen Mann urteilten, der im Alter von 17 Jahren in die Waffen-SS gezogen wurde und sich nicht freiwillig gemeldet habe. "Dies tut eine Generation, die von ihren Freiheitsrechten, die sie heute hat, meiner Meinung nach viel zu wenig Gebrauch macht."

Befragt danach, ob er ein Freund Israels sei, meinte der Nobelpreisträger, er wünsche, dass dieses Land Bestand habe und endlich gemeinsam mit seinen Nachbarn Frieden finde.

Das ganze Interview mit Günter Grass lesen Sie in der Samstagausgabe der Süddeutschen Zeitung und auf dem iPad.

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