Mutmaßliches NS-Raubgut:Nachlässige Aufklärung beim Schwabinger Kunstfund

Werke aus der Gurlitt-Sammlung

Eines der Werke aus der Sammlung von Nazikunst-Händler Gurlitt: das Aquarell "Paar" von Hans Christoph (1924)

(Foto: dpa)

Anfang März 2012 wurden die wertvollen Kunstwerke von Cornelius Gurlitt beschlagnahmt. Die Bayerische Staatsgemäldesammlung war eingeschaltet, informierte aber den damaligen Kunstminister Wolfgang Heubisch nicht. Auch das zuständige Bundesamt gibt an, es habe erst jetzt aus den Medien von dem spektakulären Fund erfahren.

Von Stefan Mayr, Frank Müller, Klaus Ott und Kia Vahland

Die Nachlässigkeit des Staates und seiner Behörden bei der Aufklärung des Schwabinger Kunstschatzes ist noch größer gewesen als bislang bekannt. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung war die Bayerische Staatsgemäldesammlung bereits bei der Beschlagnahmung der Werke Ende Februar/Anfang März 2012 frühzeitig eingeschaltet, informierte aber das für sie zuständige Wissenschafts- und Kunstministerium nicht.

Der damalige Minister Wolfgang Heubisch (FDP) sagte der SZ, er habe seinerzeit von dem Fund "nicht den blassesten Schimmer gehabt" und erst aus den Medien davon erfahren. "Ich hab als Erstes gedacht: Ist denn heute der 1. April?" Für den Freistaat Bayern sei der Fall "eine Katastrophe". Aus der Staatsgemäldesammlung heißt es dazu, man habe das Ministerium nicht informiert, weil es geheißen habe, die weitere Forschung übernehme jetzt Berlin.

Verwirrung gibt es um das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen, das zum Geschäftsbereich des von Wolfgang Schäuble geleiteten Bundesfinanzministeriums gehört und sich um die Rückgabe von Kulturgütern kümmert, die während der NS-Zeit ihren Besitzern abgepresst worden sein könnten. Grundlage ist das Entschädigungsgesetz für NS-Verfolgte. Bereits im März 2012 sei das Bundesamt vom Freistaat Bayern über den außergewöhnlichen Kunstschatz informiert worden, teilte das Justizministerium dem Landtag mit.

Das Bundesamt sei "über den Fund und die Hintergründe in Kenntnis gesetzt" worden, nachdem die Bayerische Staatsgemäldesammlung den Fund besichtigt habe und der Verdacht entstanden sei, es könne sich um "Eigentum Dritter handeln". Das Bundesamt wies diese Darstellung des bayerischen Justizministeriums auf Anfrage der SZ zurück. Man habe erst jetzt, Anfang November, aus den Medien von dem Fund erfahren.

Mehr dazu in der Freitagsausgabe der SZ im Feuilleton:

  • Wie in Bayern Bilder sortiert werden - Der ganze Report darüber, dass viele Behörden informiert waren, aber niemand die Dimension des Falles erkannt hatte
  • Der Freistaat will eine gütliche Lösung mit Gurlitt - Interview mit Justizminister Bausback
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