Musikshow:Sind die nicht süß?

Boybands Forever - Pressecall

"Der Fünfte", der "Sportliche" und der "Bad Boy" (von links).

(Foto: dpa)

Die Jungsgruppe war wie gemacht für die Dauerparty einer kapitalistischen Spaßgesellschaft in den Neunzigern. Das Musical "Boybands Forever" in München feiert sie.

Von Maximilian Sippenauer

Letzte Nummer vor der Zugabe. Fünf Boys, breitbeinig in Silber-Pants, Glitzerwesten und Schweißperlenketten. Zwischen den Kunstfell-Epauletten glänzen nackte, glatt rasierte Oberkörper, und das Deutsche Theater in München dampft und kreischt wie ein Teekessel. Angekommen beim Mitsing-Finale des Thomas Hermanns-Musicals "Boybands Forever" herrscht Chippendales-Stimmung. Hier, vor flackernden Handykameras, ereignet sich nicht weniger als die Wiedergeburt der Boyband aus dem Geist des Strip-Karaokes.

Dabei hatte alles so ruhig begonnen. Statt eines klassischen Musicals, das etwa vom Aufstieg und Fall einer Boyband hätte erzählen können, inszenierte "Quatsch Comedy Club"-Erfinder Thomas Hermanns den Abend als Nummern-Revue. Vor einer Videoleinwand, über die etwas lieblos arrangierte Fotos von Ronan Keating bis Robbie Williams flimmern, erläutert Moderator Ole Lehmann augenzwinkernd, was eine Boyband so ausmacht. Dazu covert eine typgerecht gecastete Paradeband Hits von Take That, Backstreet Boys oder East 17.

Am besten geht dieses Konzept zu Beginn auf, als Lehmann seine fünf Jungs gemäß einer universalen Typologie vorstellt, die auf alle Boygroups zutreffe. Da gebe es den Typ Schwiegersohn, den Sportlichen mit den Rap-Parts, den Bad Ass mit den vielen Affären, den Bi-Sexuellen, der eigentlich schwul ist und "den Fünften", der vor allem aus choreografie-geometrischen Aspekten mit dabei ist und dessen Namen keiner weiß. Als das Quintett die ersten Songs aufführt, zeigt sich, wie gut diese Schablonen passen. Und gleichzeitig offenbart der Live-Kontext die enormen physischen und stimmlichen Leistungen, die diese oft belächelten Retorten-Künstler vollbringen.

Es ist dieser Kontrast, der das Phänomen Boyband für den Zeitgeist der frühen Neunzigerjahre prädestinierte, als Künstlichkeit, Sportgeist und Hedonismus in einem Höchstmaß kollidierten. Die stereotypen Protagonisten der Boygroups waren ideale Projektionsflächen für die bieder-promiskuitive, amerikanische Doppelmoral und deren Leistungsdenken. Vor einem sich öffnenden Eisernen Vorhang war die Jungsgruppe also wie gemacht für die Dauerparty einer kapitalistischen Spaßgesellschaft. Bei "Boybands Forever" wird diese Fete naturgemäß nicht hinterfragt, dafür in eine andere Richtung umgedeutet. Fesselspiele an der Pole-Stange, laszive Duschszenen, gleichgeschlechtliche Romanzen zwischen den Sängern. Sicher, Schwulsein war immer ein wichtiges Thema beim Boygroup-Hype. Bei "Boybands Forever" aber wird es zum omnipräsenten Leitmotiv und auf der Bühne mit allerlei Huchs und Hachs und "Sind die nicht zum Anbeißen" zelebriert. Moderator und Sänger kneifen sich in den Po, die Bude brummt. Als sich dann aber in einer Szene zwei Männer fast küssen, wird abgeblendet - es soll lieber alles schön im rosa Zwielicht bleiben.

Und hier schwächelt die Show. Anders als jüngst in der Komödie "Popstar" von Andy Samberg nimmt diese Revue das Phänomen Boyband nie wirklich ernst. Schattenseiten wie die Austauschbarkeit der Künstler, deren zum Teil tragische Biografien mit Drogensucht und peinlichen Comeback-Versuchen verschwinden hinter einer lauen Verklärung dieser Buben, die ja so süß, naiv und knackig waren.

In dieser Retroseligkeit schwelgt dann auch der zweite Teil der Show, wo endlich die großen Hits wie "Back For Good" und "Everybody" kommen; tatsächlich zeitlose Pophymnen. Die Jungs tanzen sich die Klamotten vom und die Seele aus dem Leib, am Ende herrscht das ironisch-joviale Klima von Junggesellinnen- oder Schwulen-Partys.

Bei der Premiere kommt es dann noch zu einer Überraschung: einem Auftritt von Caught In The Act. Drei dem Jungsalter weit entwachsene Herren in weißen Jacketts und schwarzen Hemden, unter denen sich das eine oder andere Bäuchlein abzeichnet. Der authentischste Moment des Abends.

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