Musikpreis Echo wird verliehen:"Traurige, rückwärtsgewandte Veranstaltung"

Lana Del Rey ist da und Udo Lindenberg auch: Heute Abend wird der Musikpreis Echo mit großem Bahnhof verliehen. Die Auszeichnung beansprucht in Deutschland inzwischen den Status der Grammys in den USA, doch Kritiker halten den Echo für rückwärtsgewandt. Große Überraschungen seien bei diesem Preis nicht zu erwarten.

Paul Katzenberger

Die Grammys in den USA und die Brit Awards für 2012 sind schon vergeben, jetzt kürt die deutsche Popmusik ihre Preisträger. Wenn am Donnerstagabend die Verleihung der Echo-Musikpreise das Fernsehprogramm der ARD füllt, dann bietet die Musikindustrie fast alles auf, was derzeit Rang und Namen hat - allein die Showacts sind hochkarätig: Katy Perry hat für eine Fernsehpremiere ihrer neuen Single Part of Me zugesagt, Shootingstar Lana Del Rey tritt mit ihrem Ohrwurm Video Games auf und Silbermond präsentieren ihre neue Single Himmel Auf.

Vorschau: Echo-Preisverleihung

Der Echo - "ein ganz besonders ehrlicher Preis", sagt die deutsche Musikindustrie. "Rückwärtsgewandt" nennen ihn Kritiker.

(Foto: dapd)

Auch die Dancehall- und R&B-Größen Sean Paul, Taio Cruz und Olly Murs kommen für einen gemeinsamen Auftritt zusammen, die Toten Hosen stellen ihre neue Single Tage wie diese vor, Udo Lindenberg wird im Duett mit Jan Delay zu hören sein und auch "Unser Star für Baku" Roman Lob wird sich schon einmal warmsingen.

Die Gästeliste ist lang und glamourös. Nicht nur Barry Manilow reist nach Berlin, sondern auch der französische Star-DJ David Guetta. Die schwedische Erfolgsband Mando Diao und die Scorpions-Veteranen Klaus Meine und Rudolf Schenker wollen sich neben vielen anderen dieses Großereignis des deutschen Pop-Geschehens nicht entgehen lassen.

Von der Echo-Verleihung geht schon seit Jahren Glanz aus. Nach bescheidenen Anfängen 1992 geriert sich die Veranstaltung mittlerweile als deutsches Pendant zu den amerikanischen Grammys und den Brit Awards. Im vergangenen Jahr wurden erstmals ein paar Echos (114) mehr als Grammys (109) verliehen.

Das kann allerdings nicht darüber hinweg täuschen, dass der Echo gerade im Vergleich zum Grammy und auch zu seiner britischen Entsprechung Brit Award immer wieder in der Kritik steht. Denn anders als in den USA und in Großbritannien wird hierzulande nicht versucht, die besten künstlerischen Leistungen auszuzeichnen. Vielmehr geht es in erster Linie darum, die erfolgreichsten Produktionen zu prämieren: Die Entscheidung fällt in fast allen der 27 Kategorien in erster Linie durch die Platzierung in den Top-100-Charts und erst in zweiter Linie durch eine Jury.

"Traurige, rückwärtsgewandte Veranstaltung"

Ganz anders bei den Brit Awards: Jedes Jahr geht an 1500 Juroren eine Mail mit der Aufforderung heraus, online in die Nominierungen der britischen Musikwirtschaft hineinzuhören. In diesem Angebot finden Kritiker nach eigener Aussage oft nicht nur Neues sondern auch Brilliantes. "Immer lassen sich unter den vorgeschlagenen Interpreten und Veröffentlichungen welche finden, die man wirklich herausragend findet und deshalb in einer Shortlist der besten Fünf platziert", schreibt der Musikproduzent und frühere Geschäftsführer von Universal Music Deutschland, Tim Renner, in seinem Musik-Blog motor.de. Das Ergebnis aller Juroren zusammen seien dann die Brit Awards.

Diese Form der Entscheidungsfindung habe gegenüber der reinen Chartorientierung einen klaren Vorteil: Die Preisverleihung sei in die Zukunft gerichtet und orientiere sich viel weniger an der Vergangenheit gewesener Chartplatzierungen. "Solange der wichtigste Bestandteil der Echos die Charts des letzten Jahres sind, bleibt der Preis verglichen mit den auf einer sehr breit aufgestellten Jury basierenden Brits oder den amerikanischen Grammys eine traurige, rückwärtsgewandte Veranstaltung", so Renner zu Süddeutsche.de.

Denn die Stars von morgen würden beim Echo in aller Regel nicht gefunden: "Große Überraschungen jenseits des Mainstreams wie dereinst der Erfolg von Norah Jones (Acht Grammys, 2003, d.Red.) oder erst im letzten Jahr das Abräumen von Arcade Fire (Ein Grammy, ein Brit Award, 2011) sind mit der Chartmechanik schlichtweg nicht machbar. Der Echo feiert somit keine neuen Stars sondern eine Messe, die großteils bereits ein Jahr zuvor gelesen wurde."

"Ein ganz besonders ehrlicher Preis"

Die deutsche Musikindustrie widerspricht dieser Sicht, schließlich gebe es den Kritikerpreis, bei dem allein eine Jury entscheide, und die Chartplatzierung keine Rolle spiele. "Niemand kann allen Ernstes behaupten, dass der diesjährige Preisträger Modeselektor in dieser Kategorie aus dem Mainstream kommt", sagt Andreas Leisdon, Sprecher des Bundesverbandes Musikindustrie. Dass die Chartplatzierung in den meisten der restlichen 26 Kategorien das entscheidende Kriterium sei, liege nun mal an der Ausgestaltung des Preises, für die Einiges spreche. So sei der Echo ein ganz besonders ehrlicher Preis, so Leisdon: "Bei uns entscheiden im Wesentlichen die Verbraucher und Fans an den Kassen. Das ist letztlich transparenter als wenn eine Jury ihre Entscheidung auf Grund subjektiver Kriterien fällt."

Allerdings kommen auch rund um die Echo-Verleihung immer wieder Verschwörungstheorien auf. Beobachter der Szene kritisieren vor allen Dingen, dass in Deutschland anders als in den USA oder Großbritannien keine konkreten Verkaufszahlen von Tonträgern veröffentlicht werden. Das verantwortliche Marktforschungsunternehmen Media Control gibt ledliglich die Chartplatzierung von Interpret und Titel an, nicht jedoch wieviele Songs oder Alben tatsächlich verkauft wurden.

Auf Grund dieser Unschärfe komme immer wieder der Verdacht auf, dass sich die großen Plattenfirmen bei der Echoverleihung hinter den Kulissen absprechen würden, damit keiner völlig leer ausginge, sagt ein Branchenkenner. Leisdon widerspricht diesen Spekulationen mit großer Entschiedenheit: "Solche Deals gibt es nicht. Alleinige Grundlage für die Preisverleihung ist die Entscheidung der jeweiligen Jury, auf Basis der Top-100-Platzierungen in den Media Control Charts."

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