Musik:Weil hier immer was geht

Im "Birdland" in Neuburg an der Donau waren zahlreiche internationale Größen des Jazz zu Gast. Nun blickt der Club mit einer Fotoausstellung und einer kleinen Konzertreihe auf sein 60-jähriges Bestehen zurück

Von Oliver Hochkeppel

In unserer immer komplexeren Welt wird gerne behauptet, als einzelner könne man nichts mehr ausrichten. Der Jazz tritt da den Gegenbeweis an, nicht nur musikalisch. Seine Nischen, ob die wichtigsten Labels oder die wichtigsten Clubs, haben fast immer Einzelkämpfer erobert und behauptet. Ein gutes Beispiel dafür ist der Jazzclub Birdland in Neuburg an der Donau. Von Sonntag an wird mit einer großen Fotoausstellung im Fürstengang der Städtischen Galerie "60 Jahre Birdland" gefeiert - was den Club nach dem legendären, heute leider zum nahezu bedeutungslosen Mietschuppen heruntergekommenen Frankfurter Jazzkeller oder dem 1954 gegründeten Jazzstudio Nürnberg zu einem der ältesten (und nach wie vor wichtigsten) Deutschlands macht. Wobei das etwas unpräzise ist: In seine traumhaften Räumlichkeiten im Kellergewölbe der ehemaligen pfalzgräflichen Hofapotheke, neben dem Schloss mitten in der Altstadt, ist der Club nämlich viel später eingezogen. 1991 war das, nachdem man das Gewölbe bei Renovierungsarbeiten eher zufällig entdeckt und freigelegt hatte.

Gefeiert wird also streng genommen 60 Jahre Jazz in Neuburg, und damit unausgesprochen die unermüdliche, erfolgreiche Arbeit eines Mannes, der das ermöglicht hat. Denn der Jazz in Neuburg hat einen Namen: Manfred Rehm. 17 Jahre alt war er, als ihn der ältere Helmut Viertel, der in Neuburg eine Ausbildung zum Gerichtsvollzieher machte, so für den Jazz begeisterte, dass man zusammen mit einigen Gleichgesinnten einen "Gemeinnützigen Verein zur Förderung und Pflege der Jazzmusik" gründete, den "Birdland Jazz Club Neuburg".

Die Vereinsziele waren zunächst bescheiden: In erster Linie ging es darum, einen Clubraum für Plattenabende zu bekommen, waren doch Jazzplatten, besonders amerikanische, rar und teuer. Also legte man hier zusammen auf und lauschte und fachsimpelte gemeinsam. Eine eigene Band gründete man auch gleich, und schon in diesen Tagen veranstaltete man als Höhepunkte des Vereinslebens auch Live-Konzerte, zumeist mit Bands befreundeter Jazzclubs, aber auch mit prominenten Gästen. 1962 etwa gab der große Albert Mangelsdorff sein erstes - damals von den Klassik- und Volksmusik-Traditionalisten noch heftig beschimpftes - Konzert in Neuburg. Im selben Jahr bekam Helmut Viertel seine erste Anstellung und zog nach Burghausen, wo er wenig später mit Joe Viera die "Internationale Jazzwoche" aus der Taufe hob, Bayerns bis heute renommiertestes Festival. Also nahm Manfred Rehm in Neuburg den Stab auf.

Musik: Das "Birdland" musste lange vagabundieren, bis es 1991 im Kellergewölbe der ehemaligen pfalzgräflichen Hofapotheke ein richtiges Zuhause fand. Hier spielte auch das Jeremy Pelt Quintet.

Das "Birdland" musste lange vagabundieren, bis es 1991 im Kellergewölbe der ehemaligen pfalzgräflichen Hofapotheke ein richtiges Zuhause fand. Hier spielte auch das Jeremy Pelt Quintet.

(Foto: Jazzclub Birdland)

Wobei die Sache in den nächsten Jahren ziemlich vor sich hin dümpelte, weil Rehm wegen des Studiums kaum in Neuburg war. Und auch danach musste man mit den Konzerten auf Wanderschaft durch die Lokale mit ihren selten besonders davon begeisterten Wirten gehen. Viel passierte nicht, bis 1985 die "Schöne Aussicht" zur ersten festen Adresse wurde. In einer Zeit also, in der anderswo die Jazzclubs wie die Fliegen dahinstarben. Rehm aber blieb hartnäckig, bis er mit dem Hofapotheken-Keller die große Chance witterte - und nutzte. "Damit erfüllte sich ein Jugendtraum: eine Veranstaltungsstätte, die es mit den großen Jazzclubs in New York aufnehmen kann," erinnert er sich. Ausreichend Platz, vibrierendes Flair, ausgezeichnete Akustik und exzellente technische Ausstattung (einschließlich des von Oscar Peterson persönlich ausgesuchten Bösendorfer-Flügels) machen das Birdland zu einem Club, von dem jeder Musiker und jeder Besucher schwärmt.

Die eigentliche Arbeit begann damit aber erst: Konzerte zu veranstalten ist eine Sache, einen Club kontinuierlich am Laufen zu halten, also ein Stammpublikum zu generieren und die nicht endende Schlacht mit den Kosten zu gewinnen, eine andere. Der bis heute ehrenamtlich werkelnde Vermessungstechniker Manfred Rehm schaffte das - mit einer bemerkenswerten Mischung verschiedener Talente: Seine Sachkenntnis ("Es gibt nur einen, der sich wirklich auskennt: Mister Jazz himself, Manfred Rehm", sagte Schlagzeuglegende Charlie Antolini vor einer Woche nach seinem Auftritt im Birdland) und sein untrüglicher Geschmack sind Garanten für ein erstklassiges Programm.

Dort finden internationale Stars ebenso ihren Platz wie hiesige Talente, klassischer Swing-Bop wird ebenso geboten wie aufregende neue Entwicklungen. Nicht zuletzt die Reihe "Art of Piano", die im April mit Steve Kuhn ihr 200. Konzert erlebte, hebt den Club von anderen ab. Die Liste der Musiker, die hier spielten, ist dementsprechend ein Who is Who des Jazz: vom Modern Jazz Quartet, Joe Pass, Dave Brubeck, Gerry Mulligan oder Charlie Haden bis zu Michel Petrucciani, Esbjörn Svensson, Michael Wollny oder Till Brönner. Im Birdland sind regelmäßig Stars zu erleben, die normalerweise nur noch in großen Sälen spielen - und eben in der handverlesenen Schar der Clubs, die sie lieben. Weil sie dort geliebt werden.

Schlagzeuglegende Charlie Antolini

"Es gibt nur einen, der sich wirklich auskennt: Mister Jazz himself, Manfred Rehm".

Mit den inzwischen vor allem bei Touristen beliebten legendären New Yorker Clubs wie dem Blue Note oder dem Village Vanguard hat das Birdland übrigens noch etwas anderes gemeinsam: In keinem anderen deutschen Club dürfte die Zahl der einheimischen Besucher so niedrig sein. Kaum mehr als zehn Prozent sind es, der Rest kommt aus den nahen Großstädten Ingolstadt, Augsburg und München, aber auch aus anderen Bundesländern oder dem Ausland. "Wir sind mittlerweile ein nicht unwesentlicher touristischer Faktor für die Stadt", betont Rehm stolz. Seit 2001 ist der Birdland Jazzclub sogar im benachbarten Ingolstadt als Veranstalter aktiv: Niemand geringerer als Ray Brown läutete die Reihe "Jazz im Audi Forum" ein. Im kreisrunden Bau des "museum mobile" finden seither monatlich Konzerte zumeist größerer Formationen statt.

Entscheidend für all das ist, dass Rehm immer andere mit seiner Begeisterung anstecken konnte: Mehr als 200 zahlende Mitglieder stützen den Verein, die Stadt engagiert sich seit Jahren erklecklich, neben der Kooperation mit dem Audi-Forum in Ingolstadt besteht auch eine mit den Neuburger Barockkonzerten, der Jazz-begeisterte Geschäftsmann Fritz von Philipp ist seit langem ein treuer Mäzen und der Bayerische Rundfunk seit vielen Jahren Medienpartner, unter anderem mit dem "Birdland Radio Jazz Festival" im Herbst. Es ist typisch für Manfred Rehm, dass er kein großes Aufheben um das Jubiläum macht.

Abgesehen von der Fotoausstellung - bei der sich in den im Birdland porträtierten Musikern viele magische Momente widerspiegeln - samt vier Begleitkonzerten an den Sonntagen auf dem Jakob-Balde-Platz neben dem Fürstengang - läuft das Programm im Club ganz normal weiter. An diesem Samstag spielen die Echoes of Swing, am Freitag, 1. Juni, dann The Cookers mit den Hardbop-Veteranen Billy Harper, Eddie Henderson, Donald Harrison, David Weiss, Danny Grissett, Cecil McBee und Billy Hart. Eine Weltklasse-All-Star-Band, aber Alltag im Birdland. Oder wie Manfred Rehm schon beim 50. sagte: "Unsere Stärke ist, dass immer was ist."

60 Jahre Birdland im Bild, So., 27. Mai, bis So., 24. Juni, Städtische Galerie im Fürstengang Neuburg an der Donau

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: