Musik: The Coral "Magic and Medicine":Ein Doors-Einander

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Auch mit ihrem zweiten Album bedient die britische Band The Coral diverse Musikstile - und diesmal knabbert man auch an den guten Kapiteln der Popgeschichte.

Von Linda Quadflieg und Caroline Daamen

Vöglein zwitschern, müssen wohl alle da sein. Kein Wunder, immerhin befinden wir uns "In The Forest" und damit im ersten Lied einer CD, die den schönen Titel "Magic And Medicine" trägt. Magier und Mediziner sind die Bandmitglieder von The Coral zwar nicht und aus dem Wald kommen die Sechs auch nicht. Aber immerhin aus einem Dorf, in dem sich Fuchs und Hase Gute Nacht sagen: aus Hoylake, Merseyside. Das liegt irgendwo an der äußersten Westküste Englands. Da, wo der Stein schon sehr tief fallen muss, um nass zu werden.

Wieder so eine "The"-Band. The Streets, The Libertines, The Coral - in Großbritannien kommt der Artikel vor dem Bandnamen offenbar wieder in Mode. Doch den Briten gefällt nicht nur der Name. The Coral drangen gleich mit ihrer ersten CD ("The Coral") schon ganz tief in die Charts vor: Platz fünf in den Album-Charts sowie Nominierungen bei Brit und NME Awards und dem Mercury Music Prize.

Die Nominierungen heimsten The Coral besonders als beste Newcomer oder beste Band ein - vielleicht, weil selbst Experten nicht in der Lage waren, die Songs der sechs Jungs in eine der handelsüblichen Kategorien einzuordnen? Das ist weder Rock noch Pop, nicht Indie oder Alternative. Den Hörern im Vereinigten Königreich war und ist das aber schlicht egal.

Vor "Dreaming of you" gab es im britischen Radio kaum ein Entrinnen - zu recht. Gleiches gilt für die beiden ersten Auskopplungen aus dem zweiten Coral-Album "Magic And Medicine", "Don't think you're the first" und auch "Pass it on", das vor Wochenfrist auf Platz fünf der englischen Charts einschlug.

Das Album zum Blümchenkleid

"Magic And Medicine" sollte auf Anraten von Arzt oder Apotheker nur in verrauchten Clubs vorgestellt und signiert werden. Die Oasis-Topffrisur sollte Pflicht sein, die Mädchen sollten Blümchenkleider tragen. Dann trinken alle Afri-Cola. Und Raider heißt jetzt Twix.

Dazu die Musik aus "Magic And Medicine" - gerade läuft "Secret Kiss" - da sind alle happyhappyglücklich und fühlen sich in die 70er Jahre versetzt, als noch geraucht und getanzt wurde und Johnny Cash die Lufthoheit über den Musikboxen hatte.

Vorne auf dem Podium sitzen die Jungs - gerade der Pubertät entflohen - und geben Kommentare wie "Inspiration ist überall" (James Skelly). "Wir sind keine Helden à la James Dean. Eher wie Luke Skywalker: 'Ich bin zwar ein Weichei, aber ich habe ein Lichtschwert'" (Paul Duffy). Und über den Versuch, ein College zu besuchen: "Wir hatten nicht den Eindruck, dass uns dort wirklich etwas beigebracht werden sollte" (James Skelly).

Also Selbststudium: Als Lehrbücher dienen die Platten der Beach Boys, der Beatles, der Doors - um nur einige hörbare Vorbilder anzuführen (von denen schließlich auch einige das "The" im Titel tragen). Gemixt wird unter anderem Bossa Nova, Country, Blues und Folk mit Orgel, Flöte, Trompete, Klavier, Geige oder auch Saxophon - alles dabei für die hörbare Retro-Welle der Merseysider.

So sehr man sich auch bemüht: Wirklich greifen und in ein schönes Genre-Schublädchen stecken lassen sich The Coral auch mit ihrem zweiten Album nicht. Muss auch nicht sein. Die elf Tracks machen Spaß, auch wenn manche Sequenzen in "Gypsy Market Blues" oder "Confession of A DDD" einiges an Durchhaltevermögen abverlangen. Dafür kommen Stücke wie "Liezah" oder "Careless Hands" geradezu schlicht daher - und gewinnen dadurch.

The Coral, "Magic And Medicine", Epic/Dragnet, ab 28.7.2003 im Laden. Tracks: 1. In The Forest, 2. Don't Think You're The First, 3. Liezah, 4. Gypsy Market Blues, 5. Secret Kiss, 6. Milkwood Blues, 7. Talkin' Gypsy Market Blues, 8. Eskimo Lament, 9. Careless Hands, 10. Pass it on, 11. Confession of A DDD.

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