Musik:Im Zerrspiegel

Der Posaunist Mathias Götz gehört seit langem zum Label-Kosmos der Brüder Acher. Als "Le Millipede" veröffentlicht er jetzt ein spannendes Remix-Album

Von Martin Pfnür

Die Geschichte des Remix, der durch den Osnabrücker Produzenten Robin Schulz zuletzt eine erstaunliche Mainstream-Renaissance erfuhr, ist eine ebenso spannende wie zwiespältige. Wo man Mitte der Siebzigerjahre im Zuge der Disco-Ära begann, allerlei Hit-Material noch tanzflächenkompatibler zu gestalten, geriet der Remix im Laufe der Neunziger zum bloßen Füllmaterial für Maxi-Singles aus dem Charts-Segment, die es mit verlängerten, verkürzten, beschleunigten, verlangsamten, vor allem aber belanglosen Extended-, Dancefloor- oder Radio-Versions zu füllen galt.

Dass es auch anders geht, beweisen indes unzählige Beispiele aus der elektronischen Tanzmusik. Hier zeigt sich der Remix oft als das, was er im besten Falle auch sein kann: Eine Kunstform der Neuinterpretation, die das Original ehrt, indem es dieses neu aufbereitet, sich mitunter weit von ihm entfernt, ihm neue Nuancen und - das vor allem - eine neue Klangsprache verpasst.

Seine Tracks nimmt der Multiinstrumentalist im Alleingang auf

Nun mag das selbstbetitelte Debüt-Album des Posaunisten Mathias Götz, der solo als "Le Millipede" sowie als Teil der Hochzeitskapelle und des Alien Ensembles längst zum Fixstern im Label-Kosmos der Brüder Acher von The Notwist geworden ist, streng genommen zwar nicht unbedingt zur elektronischen Tanzmusik zählen.

Der Art und Weise, wie das Original aus dem Jahr 2015 nun neu interpretiert wird, darf man jedoch durchaus all jene positiven Attribute zusprechen, die eine gute Remix-Arbeit ausmachen.

"Mirror Mirror" heißt das Remix-Album, das am 17. März digital über Alien Transistor, dem Label der Acher-Brüder, veröffentlicht und vorher bei der Reihe "Munich Again" in der Roten Sonne per "Anhörung" vorgestellt wird.

"Spiegel Spiegel" also, was durchaus passt, und doch auch wieder nicht, denn so wie sich diverse Label-Kollegen, musikalische Weggefährten und Tour-Bekanntschaften des studierten Jazzposaunisten seiner Stücke annehmen, müsste man wohl eher von einem Zerrspiegel sprechen, der das Bestehende neuen Formen zuführt.

Wo Götz seine Tracks im Alleingang per Posaune, Klavier, Percussion, Xylophon, Glockenspiel, Harmonium, Mini-Keyboard und einer Art Beat-Boxing als verspielte digital-analoge Miniaturen anlegt, erklingen sie auf "Mirror Mirror" zumeist als elektronisch-entschleunigte Abstraktionen, die mal dubbig-verhallt wie bei "Happy Planet Index" in der Version von Tobias Laemmert alias Protein, mal sphärisch-minimalistisch wie bei "Rosa Rausch und Sara Glück" im Remix-Debüt von Cico Beck alias Joasihno, oder mal in Form einer Slow-Motion-Tanzmusik wie bei "Marmor" in der Version von Saroos daherkommen und dabei allesamt hörenswerte neue Perspektiven auf ein hörenswertes Album eröffnen.

Le Millipede/Munich Again, Donnerstag, 9. März, 20 Uhr, Rote Sonne, Eintritt frei

Musik: Entschleunigte Musik, entschleunigte Kollegen: Mathias Götz (links) mit seiner Band, bei der auch Micha und Markus Acher (hinten sitzend) mitwirken.

Entschleunigte Musik, entschleunigte Kollegen: Mathias Götz (links) mit seiner Band, bei der auch Micha und Markus Acher (hinten sitzend) mitwirken.

(Foto: Privat)
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