Musik: Danger Mouse:Quintessenz des Cool

Spiel mir das Lied vom Tod: Es ist nur konsequent, dass sich der Hipster und Superproduzent Danger Mouse auf seinem neuen Album mit Norah Jones und Jack White vor Ennio Morricone verneigt.

Andrian Kreye

Irgendwann kommt im Leben eines amerikanischen Hipsters der Punkt, an dem er rasch und leidenschaftlich der Musik von Ennio Morricone verfällt, dem die Welt nicht zuletzt die Soundtracks zu den Filmen "Spiel mir das Lied vom Tod" und "Es war einmal in Amerika" verdankt.

Musik: Danger Mouse: Idealbesetzung: Superproduzent Danger Mouse, Norah Jones, Daniele Luppi und Jack White (v.l.)

Idealbesetzung: Superproduzent Danger Mouse, Norah Jones, Daniele Luppi und Jack White (v.l.)

(Foto: Frank W. Ockenfels)

Ist der Hipster Regisseur, wird er vielleicht nie wieder von Morricone loskommen, so wie Quentin Tarantino, der ganze Sequenzen seiner Filme nach Stücken von Morricone drehte und vergeblich versuchte, ihn als Komponisten für seinen Film "Inglourious Basterds" zu gewinnen. Ist der Hipster ein Musiker oder Produzent, wird er wahrscheinlich eine Interpretation einspielen (der Begriff Coverversion greift bei Morricone sicher zu kurz) oder zumindest seine Musik sampeln. Die Gitarrenfurien von Metallica haben das schon genauso hinter sich wie der Improvisationsberserker John Zorn und der Rap-Fürst Jay-Z.

Nun hat sich auch der jüngste der Pop-Svengalis Brian Burton alias Danger Mouse an dem Werk des italienischen Filmkomponisten versucht. Und mit dem Album "Rome" (Parlophone) die bisher schlüssigste Erklärung dafür geliefert, warum Morricones üppige Arrangements und süßliche Melancholie immer wieder als Quintessenz des Cool entdeckt werden, obwohl sie doch eigentlich dessen Antithese sein müsste.

Zunächst einmal ist das Projekt ein Kniefall vor der italienischen Filmmusik des vergangenen Jahrhunderts. Gemeinsam mit dem italienischen Komponisten Daniele Luppi hat Burton im legendären römischen Ortophonic-Studio (das heute Forum Music Village heißt und in dem neben Morricone unzählige italienische Filmkomponisten wie Alessandro Alessandroni und Bruno Nicolai arbeiteten) Geräte und Instrument aus den sechziger und siebziger Jahren zusammengetragen. Dann engagierten sie die Orchesterveteranen, die schon auf den Soundtracks von "Spiel mir das Lied vom Tod" und "Zwei glorreiche Halunken" spielten und nahmen analog auf.

Burton kennt Luppi, seit er ihn als Arrangeur für die Streichersätze auf dem ersten Album seiner Gruppe Gnarls Barkley engagierte, weil Luppi 2004 mit "Italian Story" schon einmal ein Album mit italienischen Filmmusikveteranen eingespielt hatte. Fünf Jahre arbeiteten sie an "Rome".

Die Entstehungsgeschichte klingt nach nostalgischem Kunsthandwerk, und die Plattenfirma kündigt das Album auch an, als müsste sie handgehämmerte Kupferkessel verkaufen: "Ein Album, wie gemacht für die Ewigkeit, von Menschen, die an die Langlebigkeit von guter Musik glauben."

Das Ergebnis ist aber keineswegs eines dieser unterwürfigen Tributspektakel und audiophilen Klangfetische, sondern eine konsequente Umsetzung der Kernideen Morricones in zeitgenössischen Pop.

Lesen Sie weiter auf Seite 2, warum Norah Jones und Jack White die Idealbesetzung sind.

Pathos der kultivierten Depression

Sicher, es gibt die Zwischenspiele auf der Celesta, die vor fünfzig Jahren eine kurze Renaissance im Pop erlebte, die Bassgitarren, hart mit dem Plektrum gezupft und im Mitteltonbereich in den Vordergrund gemischt, ganz wie im Pop und die wortlosen, aufschwellenden Chöre aus der Filmmusik der sechziger Jahre. Dafür haben sie sogar den Canti Moderin-Chor auferstehen lassen, dessen Chorleiter Alessandro Alessandroni einst das Thema von "Eine Handvoll Dollar" pfiff. Vor allem in den Zwischenspielen rekreieren Burton und Luppi opulente Melodievignetten, die deutlich an die Originale angelehnt sind, perfekte musikalische Mimikry.

Doch die Anachronismen sind sparsam genug gesetzt, um nicht als aufdringliche Schnörkel auf die Nerven zu fallen. Kern des Albums sind die Songs, für die Jack White und Norah Jones als Sänger engagiert wurden. Und da arbeitet Burton den eigentlichen Reiz aus den Ideen Morricones heraus.

Sicher greift der Cool-Effekt seiner Musik über die Bilder, die man automatisch im Kopf hat, wenn man die getragenen Streicherflächen und weit ausholenden Melodien über den scharfen Midtempo-Rhythmen hört. Das sind vor allem Bilder aus Sergio Leones Spaghetti-Western, die das Genre mythologisierten. Es sind ja gerade die Europäer, die im Kino die amerikanischsten Bilder erzeugen. Ridley Scott zum Beispiel, Wim Wenders oder Werner Herzog.

Was Ennio Morricone zur überdrehten Coolness der Leone-Western lieferte, war jedoch ein mediterranes Pathos der Romantik, das für sich gesehen so gar nichts mit dem Cool der amerikanischen Popkultur gemeinsam hat. In der Rückkoppelungsschleife mit den überhöhten Westernbildern aber befriedigt er ein Bedürfnis nach romantischem Pathos, den in dieser Reinform kaum ein anderer Komponist liefern kann.

Mit Jack White und Norah Jones haben Burton und Luppi die Idealbesetzung für ein solches Projekt gefunden, haben beide in ihrer eigenen Arbeit doch immer mit solchen Motiven gespielt - White mit dem Pathos des weißen Bluesrockers, Jones mit dem Pathos der kultivierten Depression. So gesehen ist die Platte eine brillante Etüde in pophistorischen Doppeldeutigkeiten.

Ganz ohne Theorie funktioniert "Rome" aber vor allem als enorm eingängiges Popalbum, das die bekannten Motive aus Morricones Klangbildern ins Hier und Jetzt transportiert.

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