Musik:Akustisches Selbstporträt

Haruki Murakami, 2002
(Foto: Brigitte Friedrich)

Eine Website durchforstet das Werk des japanischen Schriftstellers Haruki Murakami und stellt Listen darin erwähnter Titel zusammen. Die jüngste enthält insgesamt 3350 Stücke.

Von Lothar Müller

Im Werk des japanischen Schriftstellers Haruki Murakami dreht sich unablässig ein Plattenteller. Gern lässt er sich statt vor Bücherregalen vor seiner riesigen Schallplattensammlung fotografieren. Aus dieser Sammlung stammen viele seiner Titel. Hinter dem Roman "Norwegian Wood" und der Kurzgeschichte "Drive my Car" dreht sich das "Rubber Soul"-Album der Beatles. Im Titel des Romans "Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki" hallen die "Années de pèlerinage" von Franz Liszt nach, die Geschichte "Yesterday" handelt von einem Japaner, der den Beatles-Song im Kansai-Dialekt eher zum Verschwinden bringt, als ihn zu übersetzen.

Murakami ist ein musikalischer Allesfresser. Als Art Blakey and the Jazz Messengers 1964 in Kobe gastierten, war er im Publikum und wurde schon als Teenager zum Jazzfan. Den Folk und Pop verfolgt er ebenfalls seit den Sechzigerjahren, über die klassische Musik hat er mit dem Dirigenten Seiji Ozawa debattiert und dazu einen Gesprächsband gemacht. Die Website www.openculture.com durchforstet seit einiger Zeit die Essays und das literarische Werk Murakamis und stellt Playlists darin erwähnter Titel zusammen. Das begann mit der Jazz-Abteilung und ging dann zu einer knapp hundert Titel umfassenden Liste über, die vor allem das Crossover im Musikgeschmack Murakamis dokumentierte. Also stand da Haydns Klaviersonate 32 in g-moll zwischen Elvis Presleys "Good Luck Charm" und Ricky Nelsons "Hello Mary Lou", und auf die Ouvertüren von Wagners "Tannhäuser" und "Fliegendem Holländer" folgte Bruce Springsteen mit "Born in the U.S.A.".

Und jetzt gibt es kein Halten mehr, jetzt wird auf die gesamte Plattensammlung Murakamis zugegriffen. 3350 Titel daraus enthält die jüngste Playlist, und wer nicht das gesamte Wochenende damit verbringen will, kann Umberto Ecos Studie über den Charme von Listen beherzigen und sich ein Vergnügen daraus machen, die Playlist als Murakami-Porträt zu lesen, statt, wie nahegelegt, Spotify herunterzuladen, um das alles durchzuhören.

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