Musical:Rasanter Irrsinn

Handyladen Hofspielhaus

Der Damenchor Julia Haug, Sampaguita Mönck und Dalma Viczina, hier freilaufend vor dem Theater.

(Foto: Michael Klinksik)

"Der verrückte Handyladen" im Hofspielhaus

Von Egbert Tholl

"Chapeau!", sagt Christiane Brammer, jetzt wisse sie, was es bedeute, als Regisseur eine eigene Produktion auf die Beine zu stellen. Sie meint damit, dass sie den Hut ziehe vor jenen, die das andauernd machen. Sie selbst hatte sich in den Kopf gesetzt, in ihrem eigenen Theater, dem Hofspielhaus, selbst ein Musical zu inszenieren. Und zwar eines, das es davor nicht gab. Nun hat "Der verrückte Handyladen" an diesem Donnerstag seine Uraufführung, und Frau Brammer freut sich darauf, nach der Premiere hoffentlich mal wieder ausschlafen zu können.

Eigentlich ist dieses Musical viel zu groß für das kleine Hofspielhaus. Die Lösung: Thomas Erich Killinger hat es nicht nur geschrieben und die Musik komponiert, er hat diese auch gleich selbst eingespielt. In der Aufführung kommt sie nun vom Band, was man bald völlig vergisst, weil die Darsteller auf der Bühne so selbstverständlich ihren Gesang mit dem Vorgefertigtem verschmelzen, dass man eher glaubt, irgendwo sei hier vielleicht doch noch eine Band versteckt. Dazu kommt ein Chor aus drei Damen, Julia Haug, Sampaguita Mönck und Dalma Viczina, die man nur im Video ulkige Sachen machen sieht.

Die Geschichte kennt man - und doch wieder nicht. Sie schmiegt sich an das Musical "Little shop of horrors", aber hier gilt es nun nicht, eine fleischfressende Pflanze mit enervierenden Zeitgenossen zu füttern, sondern ein Handy. Im kleinen, geschäftlich dahinsiechenden Handyladen von Herrn Trumpf - Sebastian Brummer spielt ihn mit anhaltendem Darmverschluss, darf aber noch in zwei weiteren Rollen zwischen Wahnsinn und Falco brillieren - erfindet der liebenswerte, aber etwas tollpatschige Verkäufer Mugdan (Sebastian Killinger) ein Superhandy, das alles kann, vor allem vieles braucht. Nämlich die Geschichten, die Identitäten seiner Benutzer, die es aussaugt, bis sie zur leeren Hülle werden. Ein Malheur, von Mugdan nicht unbedingt so geplant, nennt er das Superhandy doch so wie seine angebetete Mitverkäuferin, nämlich Alice. Die fühlt sich nicht gut genug für den lieben Kerl, der sieht das ganz anders, und unter Bereinigung des Bühnenpersonals kriegt die reizende Alice (Marina Granchette) doch noch ihr Glück, während die Zukunft des Handys, verkörpert vom teuflisch guten Ben Schobel, so weit ungewiss ist, dass wir sie hier nicht verraten.

Das Ganze hat den für die Geschichte nötigen rasanten Irrsinn, die Musik ist tatsächlich großes Musical, die Darsteller sind erfrischend aufgekratzt und gut bei Stimme. Manchmal wirkt der Abend wie "La La Land", dann wieder wie kabarettistischer Hohn auf die Handyabhängigkeit unserer Zeit. Im Stück hält das Gerät sich für klüger als seine Benutzer und diese nur noch für kompostierbare Biomasse. Interessant, dass derzeit auch beim "Spielart"-Festival das Verschwinden des Individuums in der Digitalisierung ein Thema ist. Im "verrückten Handyladen" ist die Lösung allerdings handfester als im Diskurstheater.

Der verrückte Handyladen, Premiere am Donnerstag, 9. November, 20 Uhr, Hofspielhaus, Falkenturmstraße 8, Karten unter 24 20 93 33

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