Museumsneubau:Berlins entspannte Rivalin

Museumsneubau: Es beglückt städtebaulich, als Museumsneubau und als Museum mit einem interessanten Programm: das Museum Barberini in Potsdam.

Es beglückt städtebaulich, als Museumsneubau und als Museum mit einem interessanten Programm: das Museum Barberini in Potsdam.

Nachdem es lange umstritten war, eröffnet das private Museum Barberini in Potsdam an diesem Freitagabend in einem so unprätentiösen wie eleganten Bau. Die Eröffnungsausstellung passt zu diesem Haus.

Von Jens Bisky

Von den Stufen der Nikolaikirche hat man den besten Blick auf den Alten Markt Potsdams: linkerhand das Alte Rathaus, rechts den Landtag im wiedererrichteten Stadtschloss, den Marmorobelisken und nun auch das Palais Barberini vor sich.

Dessen Fassade erinnert an Rom und Bernini, mehr noch aber an den Versuch Friedrichs des Großen, seinem Preußen etwas römischen Glanz zu verleihen, indem er Bürgerhäusern klassische Palastfassaden verordnete.

Das im Krieg zerstörte Gebäude wieder aufzubauen, die Fassade zu rekonstruieren, war lange beschlossen, 2013 erfolgte der erste Spatenstich. An diesem Freitag wird hier das Museum Barberini eröffnet, finanziert vom Unternehmer und Sammler Hasso Plattner (SZ vom 12. Januar).

Mit dem Haus am Alten Markt ist etwas Besonderes gelungen. Es beglückt städtebaulich, als Museumsneubau und als Museum mit einem interessanten Programm. Über all das ist erbittert gestritten worden, über den Standort für Plattners Kunsthalle, über den Sinn und Unsinn von Rekonstruktionen, über die Rolle von Mäzenen und Privatsammlern. Nun lacht das Museum Barberini den Kritikern ins Gesicht und kontert die klugen Argumente mit einem charmanten "Schaut mal, so kann man das machen".

Die Fassade war gut dokumentiert, sie wurde handwerklich sorgfältig errichtet und wirkt zum Glück nicht so steril wie die des Stadtschlosses nebenan.

Neuerfindung durch Interpretation historischer Formen

Das liegt wohl auch daran, dass der Architekt Thomas Albrecht vom Büro Hilmer & Sattler selbst auf die kleinen Unregelmäßigkeiten achtete, die bei Bauten des 18. Jahrhunderts einfach dazugehören.

Die Fassade mag Freunde historistischer Architektur begeistern, das Museumsgebäude dahinter ist ein Ereignis. Es ist eine Neuerfindung durch Interpretation historischer Formen. Der Durchgang unter dem Mittelrisalit war einst nur drei Joche breit, Thomas Albrecht hat ihn auf fünf erweitert und damit ein großzügiges Foyer gewonnen.

Metalldrähte und Gitter tragen das Deckengewölbe, das mit Putz überzogen wurde, eine Rabitzkonstruktion. Von hier aus geht es ins Museum oder aber zum Innenhof hinaus ans Wasser, zur Alten Fahrt, auf eine Terrasse oder ans Ufer. Der Durchgang verbindet den Stadtplatz mit der Wasserlandschaft, die Potsdams Reiz ausmacht.

Gute Materialien, aber kein Erlesenheitsgetue

Erst im 19. Jahrhundert errichtete man hinter dem Kopfbau des Palais Barberini Seitenflügel. Sie hatten fünf Geschosse. Die Seitenflügel des Neubaus kommen mit drei Geschossen aus, das ist eleganter und erlaubt im Inneren hohe Räume. Giebel- und Fensterformen der Seitenflügel variieren die historischen Vorbilder des Kopfbaus, bis zum Ufer hin eine Potsdamer Fassade des 21. Jahrhunderts daraus entsteht.

Über die Baukosten ist nichts zu erfahren, billig kann das Haus nicht gewesen sein. Stucco lustro an den Wänden, Eichenparkett oder Böden aus Jura-Kalkstein - hier wurde mit guten Materialien gearbeitet, ohne mit Erlesenheitsgetue zu nerven.

Die vielen Details, Türen, Wandgliederung, Haustechnik, sind durchdacht gestaltet, was für gute Architektur ebenso wichtig ist wie der große Entwurf. Ein kleiner Höhepunkt sind die Treppenhäuser, die Bewegung inszenieren. Sie entfalten so viel stillen Glanz wie die Ausstellungsräume.

Die Säle im Mittelrisalit wirken, als seien sie für Feste bestimmt

2200 Quadratmeter Ausstellungsfläche stehen auf drei Etagen zur Verfügung, wo immer Klimatechnik und Sicherheitsbedürfnis es erlauben, stehen die Türen offen, bieten sich Aus- und Durchblicke.

Das Büro Hilmer & Sattler hat Erfahrung mit Museumsbauten, für Berlin hat es die Gemäldegalerie entworfen, derzeit arbeitet es mit Franco Stella am Humboldt-Forum. Die Potsdamer Ausstellungssäle wirken im Mittelrisalit des Kopfbaus, als seien sie für Feste bestimmt.

In seinen Seerosenbildern löst sich Monet weitgehend vom Gegenständlichen

Die Galerieräume in den Seitenflügeln, einem großen folgt auf jeder Etage, links wie rechts, ein kleiner, sind licht und behaglich zugleich. Die Wandfarbe soll gewechselt werden, je nachdem, welche Bilder man ausstellt.

Das gesamte Gebäude variiert ein zentrales Thema der Potsdamer Schlösser und Gärten, die Durchdringung von Innen- und Außenraum bis hin zur Auflösung der Grenzen zwischen Architektur und Natur. Darum ging es in Sanssouci wie im Marmorpalais. Daher passt es bestens, dass die Eröffnungsausstellung Landschaften des Impressionismus zeigt.

Die Leiterin des Museums, Ortrud Westheider, war zuvor Kuratorin am Bucerius-Kunst-Forum in Hamburg. Sie will nun zeigen, wie Monet, Pissarro, Sisley, Caillebotte und andere die Landschaft als malerisches Experimentierfeld nutzten, wie sie ausgehend von den Barbizon-Malern Felder, Wege, Gärten, Wasserflächen in Bühnen für das Theater der Wahrnehmung verwandelten.

Die Ausstellung lädt zum Vergleichen ein, wie gleiche Orte verschieden oder gleiche Motive immer wieder anders gemalt wurden. In acht Kapiteln verfolgt die Ausstellung verschiedene Motive: das Meer, Waldwege, Felder, Spiegelung des Himmels im Fluss, Winterlandschaften, den Süden und einige mehr.

Die zentrale Figur ist Claude Monet, seine Seerosenbilder sind der Höhe- und Fluchtpunkt. In ihnen löst sich der Maler weitgehend vom Gegenständlichen. Es seien, so Westheider, "Landschaften ohne Zentrum und ohne Horizont", der Himmel erscheint nur noch als Spiegelung.

Wäre nicht Winter, könnte man draußen auch Seerosen entdecken

Würde man im Saal mit den Seerosen-Bildern das Fenster öffnen, und wäre nicht Winter, könnte man draußen in der Flusslandschaft auch Seerosen entdecken.

Viele Leihgaben großer Museen ergänzen die Werke aus Privatsammlungen, welches Gemälde zur Sammlung Plattners gehört und welches zu einer anderen, wird meist vornehm verschwiegen. Die Impressionisten-Ausstellung ergänzt ein Saal mit Skulpturen Rodins.

Unter dem Titel "Klassiker der Moderne" sind von Liebermann bis Sam Francis einige interessante Werke zu sehen, aber hier fehlt die strenge kuratorische Dramaturgie. Liebermanns Gartenbilder und die Gemälde Edvard Munchs etwa sieht man auch ohne kunsthistorische Bedienungsanleitung gern, zumal auf Munchs "Morgen auf der Promenade des Anglais" für Munch nicht eben typische Palmen zu entdecken sind.

Es sieht so aus, als würde dieses Haus bald zu den wichtigen Museen der Region gehören

In zwei Räumen hängt Kunst aus der DDR, Sitte, Tübke, Mattheuer, dessen Skulptur "Jahrhundertschritt" im Innenhof steht. Mit einer Tagung bereitet das Museum Barberini demnächst die Ausstellung "Hinter der Maske. Künstler in der DDR" vor.

Es sieht so aus, als würde dieses Haus sehr schnell zu den wichtigen Museen in Berlin-Brandenburg gehören. Befürchtungen, es diene vor allem der Selbstfeier eines Sammlers, scheinen jetzt schon ausgeräumt.

Mit dem Palais Barberini und einigen Nachbargebäuden belebt sich das Ufer, hat Potsdam einen schönen städtischen Platz gewonnen. Zu ihm gehört auch das Gebäude der Fachhochschule, ein ordentlicher DDR-Bau aus den Siebzigerjahren. Er soll nach den Plänen der Stadt abgerissen und durch Wohnhäuser ersetzt werden. Eine Bürgerinitiative streitet dagegen. Jetzt, da der Alte Markt wiedererstanden ist, kann man die Argumente - auch dieses Haus gehört zur Geschichte, das soll nicht getilgt sein - durch den Augenschein konkretisieren.

Das Fachhochschulgebäude mit seiner rhythmisch gegliederten, in Beton plastischen Fassade, mit seinen angenehmen Proportionen stört das Ensemble nicht. Im Gegenteil, dieses Haus trägt viel zur Wirkung des Alten Marktes bei - und verleiht ihm etwas Surreales, was urbanem Leben gut bekommt. Hier nach den Geschmacksvorlieben des Augenblicks zu vereinheitlichen, wäre städtebaulich ein großes Risiko. Ein Obelisk, eine römische Palastfassade, eine Kirche in Formen der Revolutionsarchitektur - in diesem Mischmasch kann der DDR-Beton gut stehen bleiben.

Museum Barberini, Potsdam. Die Eröffnungsausstellungen "Impressionismus. Die Kunst der Landschaft" und "Klassiker der Moderne" sind bis zum 28. Mai zu sehen. Der Katalog zur Impressionismus-Ausstellung wurde von Ortrud Westheider und Michael Philipp herausgegeben, er ist im Prestel Verlag erschienen und kostet 39,95 Euro.

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