Museumsbau:Goethes Nachbarn

In Frankfurt wird in unmittelbarer Nähe des Goethe-Hauses das Deutsche Romantik-Museum entstehen.

Von Volker Breidecker

"Romantik" - wofür steht dieser schillernde Begriff? Für eine Epoche, eine Landschaft, einen Stil, eine Stimmung, ein Gefühl, eine Gesinnung, eine Bewegung? Es entbehrt nicht der Ironie und hat doch gute Gründe für sich, dass nun ausgerechnet in der nach landläufigen Vorstellungen "unromantischsten" Stadt Deutschlands ein "Deutsches Romantik-Museum" entstehen soll: Nach langer Diskussion, auch nach einem gewaltigen Donnerwetter in den Feuilletons, das die Frankfurter Stadtoberen für das damals noch weithin unbekannte Projekt in die Pflicht nahm, als jene sich daraus schon wieder voreilig verabschieden wollten, und nach Überwindung aller verbliebenen Hindernisse der Finanzierung durch eine erfolgreiche Spendenkampagne wurde am Montag der symbolische erste Spatenstich zum Bau des europaweit ersten Romantik-Museums getan.

Am Großen Hirschgraben in der Frankfurter Innenstadt, in unmittelbarer Nachbarschaft zur nationalen Gedenkstätte des Goetheschen Geburtshauses, soll das Deutsche Romantik-Museum bis voraussichtlich 2019 fertiggestellt sein. Damit werden das Goethe-Museum und das angrenzende Gebäude seines Trägervereins, des Freien Deutschen Hochstifts, das als Bildungs- und Forschungsstätte über die weltweit größte Sammlung von Handschriften deutschsprachiger Dichter der Romantik verfügt, eine räumliche wie konzeptionelle Erweiterung erfahren. Als "besonders reizvoll", weil durchaus gewollte neue Perspektiven eröffnend, betrachtet Kulturstaatsministerin Monika Grütters die keineswegs selbstverständliche Nachbarschaft zwischen dem Weimarer Dichterfürsten und den von ihm gescholtenen Romantikern. Mit ihrer Anwesenheit unterstrich die Beauftragte des Bundes für Kultur und Medien den nationalen wie internationalen Rang des neuen Museums: Damit werde "endlich einer Epoche Reverenz erwiesen, die zu den bedeutendsten der deutschen und europäischen Kultur- und Geistesgeschichte" gehöre.

Man darf gespannt sein, was künftig entstehen wird an diesem Ort, der bislang schon von jährlich mehr als 100 000 Besuchern - vorwiegend asiatischen Touristen - aufgesucht wird, und welches Bild von "deutscher Romantik" dort künftig präsentiert wird. Besucher aus Übersee werden andere Erwartungen mitbringen als Einheimische, und diese wiederum andere als Engländer und Franzosen, Polen, Russen oder Italiener, die allesamt ihre eigenen Romantiker hatten und haben. Noch gespannter wird man folglich darauf sein dürfen, inwieweit die aus den Forschungs- und Museumsabteilungen des Hochstifts kommenden Initiatoren und Betreiber des neuen Museums die mit der Vorstellung von "Romantik" verbundenen Klischees von vermeintlich deutscher Innerlichkeit und Sentimentalität, von deutschem Wald, Wein und Weib - so sehr gerade sie und der zugehörige Kitsch hohe Besucherquoten garantieren - zu enttäuschen bereit sein werden. Gespannt schließlich auch darauf, wie den Machern der Spagat gelingen wird zwischen einem identitätsfixierten "deutschen" und einem "europäisch" reflektierten Begriff der Romantik, wie ihn auch schon die Frühromantiker im Sinne hatten. Und Byron und Baudelaire, Keats und Shelley, Leopardi und Manzoni, Adam Mickiewicz und Gérard de Nerval waren schließlich auch alle Dichter der Romantik.

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