Museum Berggruen wird wiedereröffnet:Trennende Brücke

Museum Berggruen wird größer wiedereröffnet

Das Museum Berggruen in Berlin. Der historische Stüler-Bau wurde über einen gläsernen Gang mit dem benachbarten Kommandantenhaus verbunden und hat jetzt eine Ausstellungsfläche von insgesamt 1250 Quadratmetern.

(Foto: dpa)

Das Berliner Museum Berggruen wird wiedereröffnet, nachdem es ein zweites Haus bekommen hat. Dieses soll Platz schaffen für seine spektakuläre und ständig wachsende Sammlung. Doch die Architekten Kuehn Malvezzi taten sich schwer damit, die beiden ungleichen Gebäude zu verbinden.

Von Jörg Häntzschel

Im Dezember 2006, zwei Monate bevor er starb, verabschiedete sich der Sammler und Mäzen Heinz Berggruen von Berlin mit einem schönen Geschenk: Alberto Giacomettis "Große stehende Frau III" von 1960. Der Künstler hatte die beeindruckende, überlebensgroße Bronzefigur für die Chase Manhattan Plaza in New York gemacht, daher auch die untypischen Dimensionen. Nun empfängt sie mit ihrer vertikalen Grazie die Besucher im Museum Berggruen.

In der Rotunde des ehemaligen Offizierskasinos gegenüber dem Schloss Charlottenburg, wo die preußischen Offiziere ihre Textilpanzer lockern und ihre Gelenke benützen durften, überragt jetzt alles diese nackte, sehr weibliche Gestalt, die im aufrechten Stehen die größtmögliche Entspannung zu finden scheint. Klarer könnte man den begrüßenswerten Zeitenwandel nicht annoncieren.

Doch der spektakulären Skulptur kommen in Geschichte und Gegenwart des Museums Berggruen noch andere Funktionen zu. Sie ist das prominenteste der vielen zusätzlichen Werke, die Berggruen der Stadt nach der Eröffnung des Museums 1996 als Leihgaben oder Schenkungen überlassen hatte. Und sie trug als solches zu der nach Berggruens Tod getroffenen Entscheidung bei, das Museum um das benachbarte Kommandantenhaus zu erweitern, um Platz für die Neuzugänge zu schaffen. An diesem Freitag wird das nach einem Entwurf der Berliner Architekten Kuehn Malvezzi vergrößerte Museum eröffnet.

Heinz Berggruen, der 1914 geborene Sohn eines Wilmersdorfer Schreibwarenhändlers, studierte Kunstgeschichte und Literatur an der Humboldt-Universität und schrieb für die Frankfurter Zeitung, bevor er 1936 mit einem Stipendium für die Berkeley University in die USA emigrierte.

Berggruen war Jude. Er wurde stellvertretender Direktor des San Francisco Museum of Modern Art, arbeitete für Diego Rivera, kehrte als Sergeant der US Armee nach Europa zurück, schrieb mit Erich Kästner Glossen für eine Münchner Kunstzeitschrift und begann schließlich 1947 seine große Karriere als Kunsthändler und -Sammler in Paris.

Geschichte vom jüdischen Weltbürger und seiner Rückkehr in die Heimat

Über die Jahre hatte sich aus seinem lebenslangen Kaufen, Verkaufen und Zirkulierenlassen von Kunst eine so bedeutende wie idiosynkratische Sammlung der klassischen Moderne geformt, in der Giacometti, Matisse und Klee als Planeten um die Sonne Picasso kreisen.

Anfang der Neunziger stellte sich die Frage: Was wird daraus? Etliche Museen machten Berggruen ihre Aufwartung, am Ende bekam Berlin den Zuschlag. Man liebte dort die Geschichte vom jüdischen Weltbürger und seiner Rückkehr in die Heimat. Man hoffte, Berggruens kosmopolitischer Geist werde von der Sammlung auf die mauerlos im Wind flatternde Metropole überspringen.

Vor allem aber half der Stadt die Sammlung, große Lücken in ihren Kunstbeständen zu schließen. Zehn Jahre später überließ Berggruen Berlin einen großen Teil der Sammlung. Nicht als Geschenk, wie Berggruen und seine Söhne es manchmal genannt hatten. Doch zum Freundschaftspreis von 126 Millionen Euro. Heute ist sie ein Vielfaches wert.

Ohnehin sind sentimentale Kategorien hier unangebracht. Bei der Beziehung zwischen Berlin und der Familie Berggruen handelt es sich um eine strategische Partnerschaft, bei der jede Seite abwechselnd zum Zug kommt und hofft, die Gegenseite werde parieren.

Berggruen bietet seine Sammlung als Leihgabe an, Berlin zieht gleich und baut ihr ein eigenes Museum. Berggruen bietet die Leihgaben zum Kauf an, Berlin willigt ein. Berggruen und seine Erben leihen weitere Werke, Berlin beschließt die Erweiterung. Und so soll es auch in Zukunft weitergehen. Denn Geld wie Kunst ist bei den Berggruen-Erben, darunter dem Karstadt-Investor Nicolas Berggruen, reichlich vorhanden.

Neue Großzügigkeit

Udo Kittelmann, der Direktor der Berliner Nationalgalerie, zu dem das Museum gehört, bezeichnet das Museum als "Investition für die Zukunft" und erwartet, dass sich die Berggruens für die neue Vorleistung wieder revanchieren werden. In Deutschland mögen diese strategischen Manöver und das öffentliche Gegeige, von dem sie begleitet sind, suspekt erscheinen. Andernorts, zumal in den USA, sind sie gang und gäbe.

Etwa 60 neue Leihgaben sind mit der Wiedereröffnung in die bestehende Sammlung eingeflochten worden: sinnvolle Ergänzungen, Kuriosa und Fußnoten wie Picassos selbstironische Skizze "Picassos Ankunft in Paris" (1901) und einige große Höhepunkte wie Picassos 1955 entstandenen "Frauen von Algier (Version L)" oder Cézannes "Junges Mädchen mit offenem Haar" (1873/1874). Trotz des Zuwachses, trotz der nur 500 Quadratmeter, die der neue Bau an Ausstellungsfläche bringt, fällt beim Durchgang durch das alte Gebäude vor allem die neue Großzügigkeit auf.

Mit dem neuen Bau war auch die alte, noch auf Berggruen selbst zurückgehende Hängung obsolet. Obwohl Kittelmann und seine Kuratoren die Werke chronologisch und Künstler für Künstler angeordnet haben, gelingen ihnen überall erhellende und witzige Momente.

Es ist ein moderner, unorthodoxer und nirgends ehrfürchtiger Umgang mit dem Material: Cézannes "Madame Cézanne" (1885) hängt gegenüber dem "Jungen Mädchen", als handele es sich um eine Langzeitdokumentation vom Älterwerden.

Die Spuren der Maserung in Picassos Holzschnitt "Frauenkopf" erscheinen wie ein Echo des grobgeschnitzten "Großen Kalao-Vogel" von der Elfenbeinküste. Dora Maar im "Gelben Pullover" wird in der winzigen Bastelei "Sitzende Frau" variiert. Auch der Exkurs, der Picassos Harlekin-Motiv mit Ausfallschritten zu Watteau, Toulouse-Lautrec und anderen untersucht, macht großen Spaß .

Doch kaum ist man zurückgekehrt ins Erdgeschoss des alten Gebäudes und zur "Stehenden Frau III" beginnen die Komplikationen. War sie in den letzten Jahren vor dem Umbau eine Art Galionsfigur des Museums, dient sie nun, vom selben Ort in der Rotunde aus, als Brückenkopf für die Passage zum neuen Nebengebäude. Am anderen Ende des 20 Meter langen Glasgangs, der beide verbindet, sind weitere Giacomettis erahnbar, darunter die grandiose "Katze", die horizontale Antwort auf die "Stehenden Frau".

Doch der Versuch, die beiden Bauten auf diese Weise zu verkoppeln, scheitert an der Architektur. Nach außen bietet der Korridor aus Glas und Stahl, den Kuehn Malvezzi zwischen beide gesetzt haben, einen selbstbewussten Kontrapunkt zur klassizistischen Gediegenheit der umstehenden Gebäude.

Der Besucher verliert unweigerlich den Faden

Beim Öffnen und Schließen der Brandschutztüren, in Hitzestau und sonnenbedingtem Gleißen jedoch verliert der Besucher unweigerlich den Faden. "Pergola" heißt dieser Bau offiziell, weil der Blick auf einen schönen neuen Garten fällt. Doch eher fühlt man sich in der aus Sicherheitsgründen natürlich hermetisch geschlossenen Schleuse wie auf dem Weg vom Flugzeug zur Passkontrolle.

Ist man auf der anderen Seite angelangt und wieder ins papierschonende Halbdunkel getaucht, sackt die Energiekurve ab. Zumal von den paar letzten Räumen abgesehen der größte Teil des Gebäudes Paul Klee vorbehalten ist. Auch hier gibt es Großartiges zu sehen: Die Neuzugänge "Pflanze und Fenster Stilleben" (1927) oder "Schiff II c im Hafen" (1925) - "ein tolles Kinderzimmerbild", wie Kittelmann ausruft.

Es mag sein, dass hermetische Werke wie "Klassische Küste" (1931) mit mehr Beinfreiheit besser lesbar sind. "Ich dachte immer: Das ist graue Soße", meint Kittelmann. Doch um sich über die introvertierten und versponnenen Konstruktionen Klees zu beugen, fehlt dem Besucher nach dem Galopp mit Picasso die Geduld.

Das Gebäude selbst hilft nicht weiter. Die kleineren, wenn nicht winzigen Räume, die niedrigen Decken sollten den Kleeschen Kleinformaten gut gerecht werden, könnte man meinen. Tatsächlich wirken sie luftarm und konfus. Wenn sich die Enge und Düsternis nicht beheben lässt, wäre es wohl besser, die Häuser als getrennte Einheiten zu bespielen. Die von Kittelmann gehasste Enge würde damit allerdings in die Picasso-Parade zurückkehren.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: