Wer zur Berliner Museumsinsel geht, besichtigt immer beides: das, was da ist, und das, was hier entstehen soll. Er besucht eine Baustelle. Den Eingang zum Pergamonmuseum muss man derzeit etwas suchen. Er liegt nicht mehr im Ehrenhof der Dreiflügelanlage, sondern - Riesenpfeile weisen den Weg - hinter dem Neuen Museum. An diesem und der Alten Nationalgalerie vorbei, windet sich die Schlange der Besucher, bevor sie durch eine schmale Tür den Südflügel betreten. Ein Schild verkündet die zu erwartende Wartezeit: drei Stunden. Das sei ein böser Scherz, hat jemand in Touristenenglisch daneben gekrakelt. Doch ist in der Schlange von übler Laune wenig zu spüren. Es geht ruhiger, gesitteter zu, als man es in einer Stadt, die sich gern mit ihrer Ruppigkeit brüstet, für möglich gehalten hätte.
Wie wäre die angenehme Gelassenheit der Wartenden zu erklären? Liegt es an der Vorfreude auf die antiken Großarchitekturen, die hier wie sonst in keinem Museum angestaunt werden können? Mag sein, wahrscheinlich aber trägt auch der Ort das Seine dazu bei. Grün ist der Hof, den man durch Arkaden betritt. Hier gibt es viel zu sehen und noch mehr zu imaginieren. Auch die Westfassade des von David Chipperfield rekonstruierten Neuen Museums weckt mit Bauplastik und Fehlstellen die Vorstellung, all das sei gerade erst ausgegraben worden. Rechts reitet in romantischen Triumphalismus Friedrich Wilhelm IV. Und wer der Fassaden genug hat, der kann die Werke der Berliner Bildhauerschule anschauen, die den Hof zieren.
Vielleicht ist aber auch etwas anderes für die angenehme Stimmung in der Warteschlange verantwortlich: Wer hier wartet, kann wissen, dass er bald Zeitzeuge sein wird. Er besichtigt einen vorübergehenden Zustand. Ab dem 28. September wird der Saal mit dem Pergamonaltar geschlossen sein. Das Haus muss dringend saniert werden, die Zeit und weit über eine Millionen Besucher jährlich haben dem 1930 eröffneten Haus zugesetzt. Geöffnet bleiben wird dann nur noch der Südflügel, mit Ischtar-Tor, Prozessionsstraße, Markttor von Milet, dem Museum für Islamische Kunst. Bis 2020 etwa sollen die Arbeiten dauern. Und so weiß in der Herbstsonne jeder: wer jetzt nicht zum Altar geht, wird ihn lang nicht sehen.