Münchner Residenztheater:Blackout am Premierenabend

Cornelia Froboess Schauspielerin

Schauspielerin Cornelia Froboess (hier auf der Berlinale 2010) hat den Alptraum jedes Schauspielers erlebt: Blackout am Premierenabend.

(Foto: dpa)

Das Publikum wartet gespannt auf die Vorführung. Im Münchner Residenztheater steht die deutschsprachigen Erstaufführung von David Mamets "Die Anarchistin" auf dem Programm. Schauspielerin Cornelia Froboess spielt die Hauptrolle. Doch kurz nach dem Start erlebt die 69-Jährige den Albtraum eines jeden Schauspielers.

Von Christine Dössel

Es ist die Albtraumsituation für jeden Schauspieler: Blackout bei der Premiere, der Kreislauf versagt, der Text verschwimmt im Kopf, nichts geht mehr. Für die Schauspielerin Cornelia Froboess ist dieser Albtraum am Samstag bei der Premiere von David Mamets "Die Anarchistin" im Münchner Residenztheater wahr geworden - mit der Folge, dass die Vorstellung nach etwa einer halben Stunde abgebrochen werden musste. Der Schwächeanfall hatte sich zuvor schon durch Froboess' Textunsicherheit und Nervosität angekündigt, was ihre Bühnenpartnerin Sibylle Canonica tapfer aufzufangen versuchte.

In Mamets Stück - in deutschsprachiger Erstaufführung inszeniert von Martin Kušej - treffen zwei ältere Frauen im Untersuchungszimmer eines Gefängnisses aufeinander. Die eine, Cathy, gespielt von Froboess, war mal Terroristin und hat für ihre anarchistischen Ideale gemordet. Sie sitzt dafür seit 35 Jahren hinter Gittern. Die andere, Ann (Canonica), ist die staatliche Gutachterin, deren Einschätzung zu Cathys Begnadigung führen kann - oder eben nicht. Zwischen den beiden Frauen hebt ein schier staatstragender Frage-Antwort-Diskurs an, es ist auch ein Psycho-Gefecht.

Kein leichtes Stück, sprachlich und theatralisch schwerfällig. Man war gespannt, was ein forscher Zupacker wie Kušej daraus machen würde. Und das erste Bild, nach einem lautstarken Gefängnis-Geräusch-Intro, setzte die 69-jährige Froboess als Cathy auch gleich mal stark in Szene: stehend, in einem tarngrünen Overall männlich-selbstbewusst ihrer Befragerin trotzend. Dass sie dann bald schon Blackouts hatte, versuchte Froboess anfangs noch zu überspielen: Sie spielte immer mehr vom Publikum weg, improvisierte, legte die Hände an die Schläfen und versuchte, so sah es zumindest aus, an dem Aktentisch rechts im Textbuch zu lesen. Die Interview-Situation des Stücks erlaubte es Sibylle Canonica, ihrer gepeinigten Kollegin mit Stichworten auf die Sprünge zu helfen, etwa mit Sätzen wie: "Sie haben doch früher einmal gesagt, dass . . ."

Aber Froboess war längst aus der Spur geraten, und man ahnt, wie schlimm das für sie sein musste. Einmal bat sie, ganz in ihrer Rolle als Gefängnisinsassin bleibend, austreten zu dürfen. Während dieser paar Minuten ihrer Abwesenheit machte sich auch bei denjenigen Zuschauern Unbehagen breit, die das alles noch für inszeniert hielten, und die arme Canonica beugte sich als Ann geflissentlich über ihre Unterlagen und machte sich zur Überbrückung Notizen.

Froboess, schlecht aussehend, kam tatsächlich "von der Toilette" zurück und versuchte es noch mal, aber das ging nicht mehr gut. Mit einem "Ich möchte zurück in meine Zelle!" trat sie schließlich ab, und der Vorhang schloss sich. Martin Kušej eilte von dort herbei, "wo ein Regisseur während der Premiere seinen Rotwein trinkt", und dann warteten alle die Diagnose ab: Kreislaufkollaps, die Premiere werde abgebrochen - und demnächst nachgeholt. Großes Verständnis im Publikum - und herzliche Rufe für "Conny", die bei der Generalprobe noch in Topform gewesen sein soll: "Gute Besserung!"

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