Münchner Kunsterbe unterzeichnet Vereinbarung:Der Gurlitt'sche Knoten wird gelockert

Für das weitere Schicksal der Kunstwerke haben der Bund, das Land Bayern und Gurlitts Rechtsvertreter eine kluge Vereinbarung gefunden. Sie versucht, die Ansprüche der Erben der NS-Opfer zu befriedigen sowie die Rechte Gurlitts zu wahren - und bewahrt die Staatsanwaltschaft wohl vor einer juristischen Bankrotterklärung. Eine salomonische Lösung.

Ein Kommentar von Heribert Prantl

Verglichen mit der Causa Gurlitt ist ein gordischer Knoten eine übersichtliche Angelegenheit. Hier hilft kein Hieb mit dem Schwert. Die Rechtslage ist äußerst kompliziert, die Sachlage ist höchst verworren. Mit Draufhauen ist da nichts gewonnen, mit Draufhauen hat die Malaise nämlich angefangen: Die Staatsanwaltschaft Augsburg hat mit der Beschlagnahme von 1280 Kunstwerken wegen einer vergleichsweise läppischen angeblichen hinterzogenen Steuer eine Situation herbeigeführt, der sie bald nicht mehr gewachsen war.

Der Gurlitt'sche Knoten war nämlich, je länger die Beschlagnahme der Bilder währte, immer noch größer und noch komplizierter geworden, weil Recht und Moral sich stritten und die Staatsanwaltschaft mit Strafrechtsparagrafen nicht mehr weiter kam.

Deswegen haben nun der Bund, das Land Bayern und die Rechtsvertreter des Cornelius Gurlitt eine kluge Vereinbarung getroffen. Sie soll das weitere Schicksal der Bilder regeln und sie bewahrt die Staatsanwaltschaft in Augsburg wohl vor einer juristischen Bankrotterklärung.

Die Vereinbarung versucht, sowohl die Ansprüche der Erben der NS-Opfer zu befriedigen als auch die Rechte des Cornelius Gurlitt zu wahren. Die Vereinbarung reißt nicht einfach an diesem Gurlitt'schen Knoten herum, sondern nestelt behutsam daran. Provenienzforscher sollen klären, jetzt auch mit Billigung Gurlitts, von wem, auf welche Weise und auf welchem Weg die Bilder an seinen Vater und dann an ihn gelangt sind. Beanstandete Bilder will Gurlitt heraus- und zurückgeben an die Alt-Eigentümer. Bis Klärung da ist, bleiben die Bilder in dem Depot, in das die Staatsanwaltschaft sie gebracht hat - nun nicht mehr aufgrund von Beschlagnahme, sondern aufgrund von freiwilliger Vereinbarung. Die Kosten von alledem tragen der Bund und das Land Bayern.

Das alles gilt für die Zeit nach der Aufhebung der Beschlagnahme. Die Beteiligten gehen davon aus, dass diese Aufhebung in Kürze erfolgt. Das wird, das muss so sein. Damit ist auch klar, was mit dem Ermittlungsverfahren gegen Cornelius Gurlitt geschieht: Es wird wohl gegen eine niedrige Geldauflage eingestellt werden. Das ist eigentlich ein Desaster für die Staatsanwaltschaft. Sie hat sich trampelig aufgeführt - aber mit diesem Getrampel, und das ist ihr Glück, auch die Tür zu einer guten Zukunft für die Bilder geöffnet.

Ewig im Depot werden die Gurlitt-Bilder, soweit sie nicht an Alt-Eigentümer zurückgegeben werden, aber auch nicht bleiben können. Es wäre daher gut, wenn es zu einer Stiftungslösung käme; wenn die Kunstwerke also in eine Stiftung eingebracht und dann in einem schönen bayerischen Schloss ausgestellt werden könnten - wo das Publikum sie und der alte Herr Gurlitt sie als die seinen betrachten können.

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