München:Überwältigend

München: Elina Garanca als Léonor de Guzman in Donizettis "La Favorite".

Elina Garanca als Léonor de Guzman in Donizettis "La Favorite".

(Foto: Wilfried Hösl)

Donizettis "La Favorite" in der Staatsoper

Von Klaus Kalchschmid

Eine selten aufgeführte, bestechend klug und modern inszenierte, überwältigend gut gesungene und gespielte französische Belcanto-Oper im Bayerischen Nationaltheater zu den Opernfestspielen: "La Favorite" von Gaetano Donizetti ist eine Geschichte von Glaube, Liebe und am Ende gar keiner Hoffnung mehr. Denn ein junger Novize namens Fernand verlässt das Kloster um seiner heimlichen Geliebten willen; Léonor ist jedoch auch die Mätresse des Königs. Als dieser Alphonse XI. wittert, damit dem Bann der Kirche zu entgehen, verheiratet er schnell die beiden. Erst bei der Hochzeit erfährt der Bräutigam die Wahrheit und verstößt die Frau ob der Verletzung seiner Ehre. Im Kloster trifft er sie, die aus Gram dem Tod nahe ist, wieder. Zu spät finden sie nach einem langen Duett endlich zusammen.

Amélie Niermeyer inszeniert dieses Ende wie alles an diesem Abend im Gewand von heute, wo die Frauen Hosenanzüge tragen, und fernab jeder Eindeutigkeit mit der Präzision der Schauspielregisseurin. Elina Garanca und Matthew Polenzani gestalten den permanenten Wechsel von Nähe und Abstoßung, Zueinanderwollen und sich Entfernen ebenso großartig wie sie es singen: Sie, indem sie ihrem schönen und reich timbrierten, so charakteristischen Mezzosopran nun auch fahle Farben verleiht. Er, indem er die feine französische Gestaltung eines eher schüchternen Intellektuellen mit Brille nun zum Ausdruck größter Verletztheit und daraus folgender Aggression steigert, was ihm beinahe den Verstand raubt.

Mariusz Kwiecien ist in Niermeyers Inszenierung weniger König als eitler Gockel mit hippem Dutt in den Haaren, der blauen Karo-Anzug trägt und in aller Öffentlichkeit seine Mätresse betatscht, als wär sie seine Sexpuppe. Die lässt sich das irgendwann nicht mehr gefallen und klebt ihm eine, was ihn nur noch geiler macht, und die schnelle Cabaletta am Ende seiner Arie zum Explodieren bringt. Kwiecien hat mit kernig-virilem, frei strömendem und höhensicherem Bariton daran ebenso viel Spaß wie an der Szene, als er mit Léonor - zur Ballettmusik der ungekürzten Oper - einen Film schaut. Wir sehen nur das Flimmern der Bilder, das die beiden trifft. Dabei kichert sie in sich hinein, blickt neutral oder wendet die Augen angewidert ab; er spielt alles mit, als wär' er ein kleiner Bub: ob Schattenboxen oder grimassierendes Schenkelklopfen, irres Lachen oder Anfeuern wie im Kasperle-Theater. Großartig!

Weil aber auch die Verkörperung der Kirche in Gestalt des Ehrfurcht gebietenden Finnen Mika Kares als Balthazar großes Bass-Format besitzt und selbst Nebenrollen wie Gaspard (durch den jungen Tenor Joshua Owen Mills aus dem Opernstudio) und die Dienerin Inès (Elsa Benoit) hervorragend besetzt sind und der Chor nicht nur fantastisch individuell spielt, sondern auch famos singt, erleben wir Oper in Weltklasseformat - wie bei der Premiere im Oktober 2016 und jetzt neu auf DVD.

Dazu trägt freilich auch noch das Bayerische Staatsorchester seinen Teil bei. Unter Karel Mark Chichon spielt es in berückender Mischung aus Expression und französischer Eleganz: geschmeidig, biegsam und klangschön, aber auch mit italienischem Brio.

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