MTV Video Music Awards:Safer Sex in Alaska

Tokio Hotel entführen einen Preis auf dem Monstertruck, Hip-Hopper reiten auf Elefanten und Britney Spears dankt Gott: Bei den 25. MTV-Awards regiert der ganz normale Wahnsinn.

Christian Kortmann

Längst sind Reality-Serien über Teenager zwischen erster Liebe und halsbrecherischen Mutproben und nicht mehr Musikvideos das Kerngeschäft des Fernsehsenders MTV (Music Television). Dennoch bleibt MTV seinem Namen und seiner Tradition treu und verleiht alljährlich Preise an die besten Musiker und Videoproduzenten.

MTV Video Music Awards: Die Siegerin des Abends: Sängerin Brintey Spears

Die Siegerin des Abends: Sängerin Brintey Spears

(Foto: Foto: AP)

Eine Award-Show ist eben die ideale Möglichkeit, drollige Popstars zu zeigen, ohne ihre Musik ausspielen zu müssen. Manche von ihnen sind ohnehin weniger für die Bühne als für den roten Teppich geeignet: Da stehen also am Sonntagabend eine Blondine, die etwas trägt, das aussieht wie eine goldene Sardinenbüchse, und eine Brünette, die etwas trägt, das aussieht wie eine schwarze Sardinenbüchse vor den Paramount Studios in Los Angeles und versichern sich gegenseitig, dass sie amazing aussehen.

Hieran sollte sich die SPD ein Beispiel nehmen, hier gibt es noch echte Solidarität. Immerhin wurde mit Tokio Hotel eine deutsche Delegation zur 25. Ausgabe der MTV Video Music Awards (VMA) nach Hollywood geschickt, um mal zu gucken, wie es bei den international erwachsenen Popstars so zugeht.

Dass Britney Spears auch da war, lieferte Bill und Tom die beruhigende Erkenntnis, nicht nervös sein zu müssen. Ziemlich egal, wie sie sich bei den VMAs anstellen würden, sie dürfen wiederkommen, wenn sie genügend Tonträger und Downloads verkaufen.

Lebendiges Maskottchen

Im vergangenen Jahr hatte Britney auf der VMA-Bühne noch Avantgarde-Aerobic in schwarzen Dessous betrieben, was weltweit für Schmunzeln gesorgt hatte. Jetzt nahm sie drei Preise entgegen und bedankte sich dafür bei Gott. Klar, Gott sieht bekanntlich alles, also auch Britneys Musikvideo "Piece Of Me".

Als lebendiges Maskottchen hatte sie die Show mit einem Grußwort eröffnet, den großen Live-Auftritt übernahm Rihanna, die mit ihren Tänzern im Filmstudio eine historische "Greystoke"-Choreographie, der Tarzan-Film, in dem die Affen von Menschen gespielt werden, zu recyceln schien.

Später kam Christina Aguilera und lieferte als schwarz gekleideter Vamp die punktgenaue Bühnenshow ab, die Britney wohl auch gern gezeigt hätte. Dass es bei solchen Galas um maximales Posieren geht, haben Tokio Hotel bereits verinnerlicht, und so fuhren sie im Monstertruck am roten Teppich vor.

Da sie aber erst halb berühmt sind, schwenkte die Kamera lieber auf eine der zahlreichen Preisverleihungsblondinen. Übertroffen wurde ihre Verkehrsmittelwahl indes nur vom Hip-Hopper T-Pain, der mit turmhohem roten Zylinder auf einem Elefanten ritt.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie die vier von Tokio Hotel ihren Preis entgegennahmen und inwiefern sich Moderator Russell Brand als Barack-Obama-Fan zeigte.

Safer Sex in Alaska

Ob der Monstertruck den entscheidenden Vorsprung beim Telefonendspurt zur Wahl des Best New Artist brachte? Denn Tokio Hotel gewannen ihren ersten VMA, und Sänger Bill brachte routiniert seine Sprachlosigkeit zum Ausdruck, um dann ausdrücklich den Fans zu danken.

So oft, wie am Sonntag in Los Angeles der Bandname Tokio Hotel fiel, spricht alles dafür, dass sie für verrückt genug gehalten werden, um im internationalen Pop-Zirkus mitspielen zu dürfen.

Nur noch ein Tipp, Jungs, aus der Feder eines 1980er-Jahre Veteranen: Habt Ihr am Sonntag Jamie Foxx gesehen und den Rapper T.I.? Man trägt die Sonnenbrillen jetzt auch wieder nachts. "Sunglasses At Night", müsst Ihr mal im Internet suchen.

Überlegungen zum Safer Sex in Alaska

Die amerikanischen Tokio Hotel waren übrigens auch da. Sie heißen Jonas Brothers und sehen aus, als würden sie auf der Bonanza-Farm leben. MTV ist ja ein ewiger "Mickey Mouse Club", so hieß die Disney-Show für Jüngsttalente, in der die Karrieren von Spears und Aguilera begannen.

Bei MTV auftreten zu dürfen, ist die Versicherung, immer noch jung und hoffnungsvoll zu sein, oder zumindest dafür gehalten zu werden, ein Jungbrunnen für Spiegelbild und Image.

Es standen also die auf der Bühne, die (siehe oben) genügend Tonträger und Downloads verkaufen, oder von denen die Musikindustrie hofft, dass sie es in Zukunft tun werden. Zum Beispiel Katy Perry, mit ihrem Song "I Kissed a Girl" bislang nur ein One-Hit-Wonder, in der Gesamterscheinung jedoch eine Attraktion irgendwo zwischen Pink und Dita von Teese.

Den größten Esprit versprühte jedoch ein Mittdreißiger: der Moderator Russell Brand, dessen Namen sich die Oscar-Organisatoren merken sollten, für den Fall, dass Billy Crystal die Academy Awards wieder nicht moderieren will.

Nicht nur wegen Brands markantem englischen Akzent, sondern auch wegen seines psychedelischen Wortschwalls und extrovertierten Künstlerlooks fragte man sich, ob nicht vielleicht doch Mike Myers in einer Austin-Powers-Variante in seiner Hülle steckte.

Brand bedachte die Preise mit der angemessenen Irrelevanz und widmete sich als Barack-Obama-Anhänger lieber Überlegungen zum Safer Sex in Alaska: "Als unehelich Schwangere zum Parteitag der Republikaner eingeladen zu werden, das ist das wirksamste, weil abschreckendste Verhütungsmittel überhaupt!"

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