"Mr. Morgan's Last Love" im Kino:Ohne Liebe ist alles nichts

Kinostarts - 'Mr. Morgan's Last Love'

Ein einvernehmliches Spiel, an dem beide Freude haben: Clémence Poésy (links) und Michael Caine in "Mr. Morgan's Last Love"

(Foto: dpa)

In "Mr. Morgan's Last Love" der Hamburger Regisseurin Sandra Nettelbeck spielt der große Michael Caine einen alten Amerikaner in Paris. Er flirtet rührend mit einem jungen Mädchen - ohne jede Anzüglichkeit. Warum es sich zu leben lohnt.

Von Susan Vahabzadeh

Ohne Liebe ist alles nichts. Matthew Morgan kann seinem Leben nichts mehr abgewinnen. Er ist Amerikaner, aber vor einigen Jahren, als er noch ein wenig jünger war, mit seiner Frau nach Paris gezogen, um noch mal alles in vollen Zügen zu genießen, zu tun, was die beiden immer schon tun wollten.

Nun sitzt er in einer wunderschönen Wohnung in einer wunderschönen Stadt, deren Sprache er nie gelernt hat, und möchte am liebsten sterben. Er ist über siebzig, nicht mehr so richtig fit, seine Frau lebt seit einer Weile nicht mehr; die Kinder sind in den USA, aber er will sich um keinen Preis von ihnen zurückholen lassen.

Vormittags schaut eine Betreuerin vorbei, einmal in der Woche geht er mit einer Bekannten Essen, die gern auf Englisch Konversation betreiben möchte. Sonst ist da nichts. Bis er eines Tages im Bus auf ein junges Mädchen trifft, das er unbedingt kennenlernen möchte - dass sie ihn nach Hause begleitet wie einen gebrechlichen Opa, ist ihm eher unangenehm.

Die deutsche Regisseurin Sandra Nettelbeck ist mit "Bella Martha" (2001) und seinem Hollywood-Remake zu einer der wenigen deutschen Figuren im Kino geworden, die im Ausland tatsächlich wahrgenommen werden, "Mr. Morgan's Last Love" ist eine internationale Co-Produktion - und ein Vehikel für ihren Star, Sir Michael Caine, dem Sandra Nettelbeck - als Vorlage diente ein französischer Roman - die Rolle auf den Leib geschrieben hat, weil sie ihn die ganze Zeit vor sich sah als Mr. Morgan und er ihr nicht mehr aus dem Kopf ging.

Das soll man nicht machen, sagt sie selbst, denn was soll werden, wenn man den einen Schauspieler, für den ein Drehbuch gemacht ist, nicht bekommen kann? Ein älterer Herr, der sich in ein junges Mädchen verknallt, neben dem seine Kinder alt aussehen - das ist natürlich zunächst einmal ein Klischee, und man könnte mit einer solchen Geschichte schnell in allerlei Fettnäpfchen der Schlüpfrigkeit hineintapsen.

Oft rührend, aber nie anzüglich

Zum einen hat Sandra Nettelbeck als Erzählerin viel Feingefühl, sie schafft es, dass Mr. Morgans letzter großer Flirt oft rührend wirkt, aber nie anzüglich. Zum anderen hat sie das Glück gehabt, dass Michael Caine die Rolle tatsächlich angenommen hat - und hier zeigen kann, warum er als einer der ganz großen Schauspieler gilt.

Michael Caine, selbst inzwischen über achtzig, hat früher gern auf prolligen Charme gesetzt, aber den depressiven Matthew Morgan spielt er als einen Mann, der anderen gegenüber nur sehr verhalten aus sich herausgeht - aber er hat doch ein wenig von dem flapsigen Ton, der leicht sarkastischen Grundeinstellung, die sich Nettelbeck wahrscheinlich vorgestellt hat, als sie ihn zu dem Mr. Morgan in ihrem Kopf machte.

Die Mischung aus Schalk und Verachtung in seinen Augen, wenn er die Betreuerin auflaufen lässt, beispielsweise. Oder die Widerspenstigkeit, mit der er sich in den Tanzkurs fügt, in den ihn das Mädchen eingeladen hat - da muss er durch, um sie näher kennenzulernen.

Ein einvernehmliches Spiel

Clémence Poésy (die Fleur Delacour aus den "Harry Potter"-Filmen) spielt Pauline, das Mädchen aus dem Bus, das ein wenig verloren durchs Leben tanzt, wenn sie nicht gerade Kurse gibt.

Sie bittet Mr. Morgan also zum Seniorenkurs, und er verabredet sich mit ihr, geht mit ihr essen, flirtet mit ihr. Einmal fährt er mit ihr aus der Stadt hinaus in ein Restaurant, und als sie dann letztlich mit einem Kellner abzieht, während er drauf wartet, dass ein Abschleppwagen sein liegen gebliebenes Auto mitnimmt, ist er verletzt und eifersüchtig.

Nicht dass dem suizidalen Matthew diese Empfindungen nicht ernst wären - aber man merkt dann eben doch: dass er so fühlt, hat nichts damit zu tun, dass er etwa ernstlich auf eine Affäre mit Pauline spekulierte. Die Beziehung wird nicht anzüglich. Die beiden spielen miteinander, wenn es gerade gut läuft, nur ein einvernehmliches Spiel, an dem sie beide Freude haben.

Matthew hat etwas, worum sich sein Leben drehen kann, eine zaghaft Angebetete, mit der er sich zur Not auch in der Phantasie beschäftigen kann; und Pauline, die sich als genauso depressiv, desorientiert und einsam entpuppt wie er selbst, findet so ein wenig Halt. Und bald sind sie einander eher Familienersatz als irgendetwas sonst.

Es ist aber natürlich alles nicht so einfach, und richtig brenzlig werden die Dinge, als Matthew im Krankenhaus landet und seine Kinder aus Amerika anreisen, die ihm den Umzug nach Paris übelnehmen, und vor allem, dass ihre Mutter von dort nicht mehr zurückkehrte.

Tochter Karen (Gillian Anderson aus den "X Files") ist eine zynische Zicke, und der Sohn Miles (Justin Kirk) wäre eigentlich ganz nett, hätte er nicht ein so durch und durch gestörtes Verhältnis zu seinem Vater - und würde er nicht als Erstes nach der Ankunft Pauline unterstellen, seinen Vater ausnehmen zu wollen. So findet sich nun, verbunden mit einigen Qualen, tatsächlich eine neue Familienkonstellation, denn Pauline bleibt hartnäckig und versucht, zwischen Vater und Sohn zu vermitteln.

Ein paar Pirouetten zu viel

Im mittleren Teil dieses Films möchte man hoffen dürfen, dass Matthew noch mal eine Weile einfach nur glücklich sein darf, genießen, was zu genießen bleibt - vielleicht wäre dann eine verlogene Geschichte draus geworden, vor allem aber eine weit weniger dramatische. Was am Anfang ein Schauspielerfilm ist, wird dann immer verwickelter, bis der Plot im dritten Akt ein paar Pirouetten zu viel dreht.

Ansonsten aber hat Sandra Nettelbeck eine wunderbare Geschichte erzählt, die davon handelt, dass es sich zu leben lohnt, solange es noch irgendetwas gibt, wovon man träumen kann. Man muss noch nicht einmal daran glauben, dass es jemals wahr werden wird.

Mr. Morgan's Last Love, D/F/GB/USA 2013 - Regie: Sandra Nettelbeck. Buch: Sandra Nettelbeck. Nach dem Roman von Françoise Dorner. Kamera: Michael Bertl. Mit: Michael Caine, Clémence Poésy, Gillian Anderson, Justin Kirk. Senator, 116 Minuten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: