"Moustache Brothers" in Myanmar:Rebellion der Schnauzbärte

Mit Puppen, Tanz und Slapstick gegen die Diktatur: Seit dreißig Jahren sind die "Moustache Brothers" im komischen Widerstand gegen das Militär in Myanmar. Genauso lange werden sie deswegen von der Regierung verfolgt. Trotzdem machen die Männer mit den Schnauzbärten weiter - auch wenn jederzeit eine Razzia droht.

Viola Schenz

"Moustache Brothers" in Myanmar: Die beiden Schnauzbartbrüder Lu Maw (l.) und Par Par Lay. Selbst hinter Gittern ging die Show weiter.

Die beiden Schnauzbartbrüder Lu Maw (l.) und Par Par Lay. Selbst hinter Gittern ging die Show weiter. 

(Foto: AFP)

Ein Gässchen zwischen schmutzigen Hausmauern, am Ende ein Wäschegestell mit Babystramplern. Hier sollen sie zu finden sein, die Staatsfeinde von Mandalay? Ungläubiges Umblicken. Doch der Taxifahrer ist eigens ausgestiegen und winkt aufmunternd weiter. Nach der Wäsche kommt ein Gitter und dahinter eine Art Garagenraum mit einem Dutzend pinkfarbenen Plastikstühlen vor einer Bastmatte.

Jeden Abend um 20:30 Uhr bricht auf dieser Bühne unter tragisch-kuriosen Umständen eine einstündige Rebellion gegen die myanmarische Militärdiktatur aus - angeführt von den beiden Brüdern Par Par Lay, 64, und Lu Maw, 62, und ihrem Cousin Lu Zaw, der sein Alter nicht verrät, dessen Gesicht aber genauso zerfurcht ist wie die seiner Vetter.

Ihr Markenzeichen: mächtige Schnauzbärte, ihr Name daher: "Moustache Brothers", ihre Show: myanmarischer Vaudeville aus Puppen, Kostümierung, Tanz, Musik (die aus einem antiken Kassettenrekorder scheppert), Slapstick und Jokes à la: Warum reisen Myanmarer nach Thailand, wenn sie zum Zahnarzt müssen? Weil sie daheim nicht den Mund aufmachen dürfen. Handelsübliche Dissidentenwitze der harmlosen Art.

Seit 30 Jahren machen die Moustache Brothers das, seit 30 Jahren werden sie deswegen von der myanmarischen Militärdiktatur verfolgt. Doch ihre komischen Nadelstiche scheinen endlich zu wirken. Das seit 1962 mit Gewalt, Drangsal und dem Spitzeldienst Special Branch herrschende Militär erklärt sich seit einem Jahr zu Reförmchen bereit: Websites werden freigeschaltet, die Pressezensur gelockert, einige hundert politische Gefangene freigelassen.

Selbst den Erdrutschsieg der oppositionellen Nationalen Liga für Demokratie (NLD) und ihrer Galionsfigur Aung San Suu Kyi bei den Parlamentsnachwahlen am 1. April hat die Junta anerkannt. Mandalayer Taxifahrer trauen sich inzwischen sogar, die Besucher der Moustache Brothers direkt an der Adresse Ecke 39./81. Straße abzusetzen und sich nicht mehr darum zu scheren, dass dort ein Soldat steht und das Kennzeichen notiert.

Sieben Jahre Felsbrocken zerhacken

Früher zogen die drei Schnauzbärte in einer 13-köpfigen Familienbande durchs Land, spielten auf Hochzeiten, Festen, Beerdigungen. 1996 wurde ihnen ein Auftritt vor dem Anwesen der damals unter Hausarrest stehenden Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi zum Verhängnis. Par Par Lay führte seinen "Regierungstanz" auf, bei dem ein Beamter den Armen Geld abknöpft. Ein Video zeigt eine sich amüsierende Suu Kyi. Die Generäle fanden es weniger witzig, strichen die Komiker von der Liste staatlich lizenzierter Künstler, ließen Par Par Lay und Lu Zaw nachts verhaften und in ein Arbeitslager weit im Norden des Landes verschleppen.

Sieben Jahre lautete das Urteil, sieben Jahre Felsbrocken zu Kieseln schlagen. Ihre Angehörigen erfuhren monatelang nichts über den Verbleib der beiden. Sie setzten ihre Show vor den Mitgefangenen fort - und wurden auf zwei Arbeitslager verteilt. Nach fünfeinhalb Jahren kamen sie frei - auch weil Schauspieler und Komiker in Großbritannien und den USA eine Kampagne für sie gestartet hatten. Als sich "Bruder Nummer eins" Par Par Lay 2007 an der "Safran-Revolution" myanmarischer Mönche beteiligte, wurde er freilich wieder eingesperrt - diesmal für einen Monat.

Unfreiwillig Alleinunterhalter

Lu Maw war bei jener folgenreichen Vorführung 1996 nicht dabei gewesen. Unfreiwillig avancierte er zum Alleinunterhalter, umschiffte das Auftrittsverbot, indem er die Show ins eigene Haus verlegte. Zwar gilt das Verbot nach wie vor für Myanmaren, aber die Show darf in einer militär-juristischen Grauzone zumindest vor ausländischen Besuchern stattfinden. Nur hin und wieder lugt ein mutiger Nachbar durch die Gitter am Eingang. Für das neue Publikum hat Lu Maw sich selbst Englisch beigebracht und Schilder drucken lassen, auf denen KGB steht oder Stasi oder CIA - das soll die Anspielungen auf das myanmarische Spitzelwesen vergleichbar und verständlich machen.

Alles versteht man aber eh nicht, weder die Tanzeinlagen noch Lu Maws radebrechendes Englisch, die beiden anderen und deren Ehefrauen treten stumm auf. Gegen 21 Uhr fällt in der Regel der Strom aus, dann müssen batteriebetriebene chinesische LED-Lampen die Bühne beleuchten, über die ab und zu Lu Maws einjähriger Enkelsohn krabbelt. Wegen so viel Schrägheit und aus Bewunderung für den Mut und das Durchhaltvermögen der alten Männer kommt man hierher. "Es kann jederzeit eine Razzia stattfinden", warnt Lu Maw sein aktuelles Publikum - vier Deutsche, zwei Briten und ein Franzose, "dann wärt auch ihr dran, denn ihr seid illegal hier." Und beruhigt dann gleich: "Keine Sorge, die Regierung liebt Touristen, denn sie braucht eure Dollar."

Doch die Show bleibt riskant, zumindest für ihre Macher. "Wir haben eine Nachbarschaftswache, die jeden Abend nach Verdächtigen Ausschau hält", erklärt Lu Maw später. "Sollte mal Gefahr drohen, werden wir gewarnt und sind durch den Hinterausgang weg." Passiert ist das bisher nicht; das Publikum aus der Fremde bietet Schutz. Schlagzeilen wie "Myanmar: Amerikanische Touristen in Kabarett verhaftet" wären selbst dem skrupellosen Regime unangenehm.

So machen die drei das Beste aus der Situation und die Ausländer zum Sprachrohr. "Wir brauchen euch, um unser Anliegen in die Welt zu tragen", ruft Lu Maw in sein defektes Mikrofon. Dann appelliert er an den amerikanischen Präsidenten, nach Außenministerin Clinton auch die CIA nach Myanmar zu schicken: "Bitte macht auch bei uns einen arabischen Frühling", fleht er, "wir haben zwar kein Öl, aber Opium und Prostituierte!"

Doch droht nicht längst eine andere Gefahr? Die Betonköpfe in der Retortenhauptstadt Naypyidaw sind zu Reformen bereit, bei den nächsten Parlamentswahlen 2015 könnte Aung San Suu Kyi und mit ihr die Demokratie siegen. Gehen da nicht Ziel und Zweck ihrer Show verloren? "Das wird alles sehr langsam passieren", sagt ein diesmal ernster Lu Maw, "und wie auch immer die Wahlen ausgehen: Wir beobachten und kritisieren jede Regierung, auch eine demokratische."

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