Monumentalband:Bazon Brock

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(Foto: Bazon Brock)

Er nennt sich selbst einen "Künstler ohne Werk" und liefert auch die Begründung dazu: "Große Taten sind die unterlassenen." Bazon Brock, Kreuz- und Querdenker, wird in diesem Riesenbildband gefeiert. Von sich selbst.

Von Willi Winkler

Denken ist Glückssache, fachärztliche Aufsicht wird empfohlen. Und Neulinge seien gewarnt: Thomas Morus machte sich die richtigen Gedanken zur falschen Zeit, sein König machte ihn dafür einen Kopf kürzer. Immerhin, von diesem Kopf und seinen Utopien zehrt die Nachwelt noch heute. Der Groß-Kopf Bazon Brock, der bereits besser dachte, als es noch nicht quer oder wenigstens kreuz sein musste, und es auch mit achtzig nicht lassen kann, hat jetzt der Nachwelt sein Opus maximum auf das noch rasch zu schreinernde Lesepult gelegt, 38 mal 28 Zentimeter, schwer wie ein Farbeimer vom Taschen-Verlag, aber im Feingehalt eher in der Nähe der Bibliothek von Alexandria angesiedelt ("Er lebte, liebte, lehrte und starb. Was hat er sich dabei gedacht?" Walther König, Köln, 552 Seiten, 78 Euro). Das Werk ist die Quersumme eines monumentalen Denklebens, "begriffslyrisch gestimmt durch Heidegger und Adorno" und ein Stationentheater mit allem, was sich im Brock'schen Denklebenslauf zwischen Itzehoe und Paestum begeben hat.

Brock ist der eitelste aller deutschen Denker, vielleicht sogar der einzige, der einzige echte Freigeist jedenfalls. Immer und überall fällt ihm etwas ein, sein Œuvre ist ein sich beständig fortzeugendes Einfallsuniversum. Lang, ehe sich Helmut Kohl zum "Generalisten" aufwarf, muss Brock schon alles gewusst haben. Wer wüsste sonst, dass die Mainzelmännchen keine Haube, sondern die phrygische Mütze tragen, mit der sich die Jakobiner in der Französischen Revolution als Freigelassene schmückten? Oder dass der gezackte Toblerone-Riegel nicht zufällig aus der Schweiz kommt, sondern auch ihr Abbild und vor allem das ihrer Wehrhaftigkeit ist? Er ist ein Wiedergänger des ewigen Seefahrers Odysseus, freiwillig an diese Welt gefesselt, Augen und Ohren offen für den Gesang aller Sirenen. Brock nennt sich einen "Künstler ohne Werk" und hat die denkbar beste Begründung für dieses Alleinstellungsmerkmal gefunden: "Große Taten sind die unterlassenen."

Die Nachkriegs-nicht-nur-Kunstgeschichte braucht nicht mehr geschrieben zu werden, sie wird in diesem Trumm von Buch beiläufig mitgeliefert, und billiger als die letzte Documenta ist es auch. Denken ist manchmal einfach nur Glück.

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