Monika Grütters:Die Opfer stehen im Vordergrund

'Entartete Kunst - beschlagnahmt und verkauft' Exhibition Preview In Bern

"Entartete Kunst - beschlagnahmt und verkauft" Ausstellung in Bern.

(Foto: Getty Images)

Kaum war die Kulturministerin vor vier Jahren im Amt, begann der Fall Gurlitt. Eine Bilanz.

Interview von Jörg Häntzschel

Kaum war Kulturstaatsministerin Monika Grütters im Amt, elektrisierte der Focus die Öffentlichkeit mit seiner Geschichte von Gurlitts "Nazi-Schatz". Jetzt, vier Jahre später, ist die Sammlung öffentlich zu sehen. Wir fragten Grütters, wie sie auf den Fall zurückblickt.

SZ: Frau Grütters, bislang sind nur sechs Werke als Raubkunst identifiziert. Wie lange kann man noch von der Raubkunst-Sammlung sprechen?

Monika Grütters: Es wäre in diesem so aufgebauschten Fall unverantwortlich gewesen, zu behaupten, dass wenig Raubkunst dabei ist, bevor man das erforscht hat. Als Politikerin muss ich da sehr sensibel sein, und für mich stehen die jüdischen Opfer und deren Angehörige im Vordergrund. Es ging erst mal darum, mit der hysterischen Anfangsbehauptung umzugehen, man habe es mit einem ungeheuren Skandal zu tun. Und dann musste ein Vertrauenssignal an die Opfervertreter gegeben werden. Die Taskforce war ein Instrument, um Aufklärung in den Fall zu bringen und international ein Zeichen zu setzen. Wie mühsam die Aufgabe dann war, stellte sich erst im Verlauf der Arbeit dar. Dann wurde immer klarer: Die Raubkunst-Vermutungen werden sich so nicht halten lassen. So etwas dann glaubwürdig zu vermitteln, nach diesen übertriebenen Erwartungen, ist schwierig.

Während der Staat viel Geld für die Erforschung dieser privaten Sammlung mit offenbar sehr wenig Raubkunst ausgibt, kommen viele Museen mit der Erforschung ihrer Raubkunstwerke kaum voran. Stimmen da die Verhältnisse noch?

Deutschland sieht sich in der moralischen Verantwortung, das aufzuklären. Und dazu stehe ich! Denn hinter jedem geraubten Kunstwerk steht ein Opferschicksal. Die Aufarbeitung bleibt uns gerade gegenüber diesen Opfern eminent wichtig. Was die Fälle in deutschen Museen betrifft, muss ich widersprechen: Gerade durch den Fall Gurlitt wurde die Notwendigkeit offenbar, die Anstrengungen zu verstärken. Deshalb haben wir das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste gegründet, die Mittel für Provenienzforschung auf über 6 Millionen Euro verdreifacht. Kein Museum in Deutschland kann sich wegen fehlender Mittel der Provenienzforschung verweigern.

Sie hatten kurz nach dem Tod von Gurlitt die Idee zu der Ausstellung. Können Sie das Konzept kurz zusammenfassen?

Die Ausstellung ist ein weiterer Beitrag zur Transparenz in diesem Fall. Wir wollen Erwartungen an die behauptete Sensation zurechtrücken, indem wir die Werke im Kontext der perfiden Kunstpolitik der Nazis zeigen. Wenn man konkrete Einzelgeschichten erzählt, veranschaulicht das viel mehr als die Abbildung auf der Lost-Art-Datenbank, auf der die Werke einsehbar sind. Vor allem aber soll die Ausstellung ein Vertrauenssignal an die zumeist jüdischen Opfer sein, um deren Schicksale es ja vor allem geht.

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