Moderator Markus Kavka:Ein Mann, ein Web

"Lustige Videos den ganzen Tag - das braucht heute keine Sau mehr": Der 42-jährige Berufsjugendliche Markus Kavka schimpft auf MTV und macht jetzt Popjournalismus auf MySpace.

Jonathan Fischer

"Ich war schon immer ein Computer-Depp", bekennt Markus Kavka. Die Brisanz dieser Äußerung liegt nicht beim Depp - die bayerisch-anarchische Ader des Musikjournalisten und MTV-Moderators würde diesen Begriff wohl durchaus positiv konnotieren. Sondern in dessen Verbindung mit der Digital-Welt.

Moderator Markus Kavka: Das ist Markus Kavka heute ...

Das ist Markus Kavka heute ...

(Foto: Foto: dpa)

Schließlich lümmelt sich Kavka aus Anlass einer neuen Web-Sendung im Büro seiner Kreuzberger Agentur, vor sich Mappen mit dem Logo eines großen Internet-Kommunikationsdienstes: MySpace - meine Freunde.

Im virtuellen Wahnsinn

MySpace wird ab März als Plattform für Kavkas eigenproduzierte TV-Show dienen. "Eine amüsante Anleitung dafür, wie man sich im virtuellen Wahnsinn des Webs zurechtfindet", verspricht die Pressemitteilung. "Punkrock" nennt es Kavka. Schüttelt sich eine Strähne aus der Stirn. Und schwärmt von den Möglichkeiten, im Internet Personality-Fernsehen zu machen. Jeden Freitag soll es eine neue Folge von "Kavka vs. The Web" zu sehen geben - exklusiv auf MySpace.

Der Name der Sendung deutet es schon an: Ein reibungsloses Clip-Abspulen ist nicht beabsichtigt. Vielmehr soll Kavka als bekanntestes Gesicht des deutschen Musikfernsehens hier Woche für Woche bizarre Internet-Fundstücke präsentieren, Web-Premieren sichten, vor allem aber: Aufstrebende junge Bands aus den Weiten des www picken. Klassischer Musikjournalismus also, der für die Pophörer eine Filterfunktion übernimmt, um aus den gefühlten 54 987 Neuerscheinungen pro Woche die wirklich relevanten Themen zu picken.

Zu Kavkas Jugendzeiten übernahmen diese Aufgabe noch gedruckte Musikmagazine. Später auch das Musikfernsehen. Aber Moment mal, MTV: Wann war da zuletzt Kavkas schwarzer Wuschelkopf zu sehen? Sang- und klanglos sind die einstigen Paradesendungen des 42-jährigen Berufsjugendlichen vom Bildschirm verschwunden. Zuletzt MTV Spin und MTV News. Von der einst täglichen Fernseh-Präsenz Kavkas ist nur eine Alibi-Nische geblieben - der Sender versuchte, das Verschwinden des hauseigenen Popjournalismus möglichst unkommentiert über die Bühne zu bringen.

Doch trauert Kavka wirklich seiner analogen Vergangenheit nach? "Bei allem Vergnügen, in den 90ern MTV zu gucken: Lustige Videos den ganzen Tag - das braucht heute keine Sau mehr."

Die Abwicklung des klassischen Musikfernsehens habe sich schon lange abgezeichnet. "Bei den Videos ist der Zuschauer heute sofort weg, sobald ihm ein Song nicht gefällt." Musikfernsehen werde nur noch als unterhaltendes Nebenbei-Medium genutzt, während man zeitgleich online ist - ganz im Sinne des MTV-Gründers Robert Pittman: "Die Leute schauen nicht zu, um zu wissen, was abgeht", hatte er einst die Philosophie des Senders begründet. "Sie schauen, um in eine bestimmte Stimmung zu kommen."

Chaos, Tempo, Instabilität

Letztlich glaubt Kavka, sei MTV mit den eigenen Waffen geschlagen worden: Chaos, Tempo, Instabilität. Das konnten neue Medien besser. Zumal die Plattenfirmen ihre einst gewaltigen Clip-Budgets kürzten. Nur noch eine Handvoll weltweiter Superstars darf heute richtig Geld für Zelluloid verbrennen. Die Rechner-Ästhetik folgt sowieso anderen Maßstäben - und anstatt ewig vor der Glotze zu warten, informieren sich Fans lieber aktuell in mit MP3-Beispielen angereicherten Blogs. Am liebsten in Echtzeit und ohne Filter: So waren wichtige Newcomer der letzten Jahre wie die Arctic Monkeys, Lily Allen oder Clap Your Hands Say Yeah bereits dank MySpace Stars, bevor sie das erste mal bei MTV auftauchten.

"MTV hat die Entwicklung verschlafen", behauptet Kavka, der mit jugendgerechten Moderationen von ZDF-Wahlsendungen zur Europa- und Bundestagswahl sowie einer geplanten Magazin-Sendung gerade dem eigenen, vernachlässigten Politikinteresse nachgeht. Und sich ein zweites Post-MTV Standbein schafft.

Lesen Sie weiter auf Seite 2, warum MTV für Kavka out ist.

Ein Mann, ein Web

Sein alter Arbeitgeber habe sich eben zu sehr darauf verlassen, neben Coca-Cola und McDonald's zu den weltweit drei stärksten Marken zu gehören. Doch Musikvideos - lange das Haupt-Kapital zur Gestaltung der Sendungen - könnten im Internet-Zeitalter kein exklusiver Inhalt mehr sein. Clips gab es seit einigen Jahren auch anderswo zu sehen. Und MTV wurde für viele Konsumenten überflüssig: Sie verlagerten den Musikkonsum ins Netz, wo sie, was immer sie wollten, zu jeder Zeit anklicken konnten.

"Ein Schwachsinn"

Die MTV-Manager aber kapitulierten: Statt Musikvideos kauften sie fortan nur noch Serien wie die Osbournes oder Jackass - und priesen die Quote als einzigen Maßstab für Erfolg oder Misserfolg. Ob es mit dieser Politik aber jemals das klassische Musikfernsehen gegeben hätte? Jugendliche, die in Elefantenscheiße springen, ziehen wohl immer mehr Zuschauer als das beste Musikvideo. "Ein Schwachsinn", schimpft Kavka, "Musikfernsehen als Spartenprogramm per Quote zu messen. Die Werbekunden kamen einst nicht wegen Zuschauerzahlen zu MTV, sondern weil sie es für einen coolen Sender hielten."

Cool: Dieses Prädikat würden Popkonsumenten heute wohl eher YouTube oder der mit 250 Millionen registrierten Nutzern größten Kommunikations- und Entertainmentplattform MySpace anhängen. Noch nicht entdeckte, oder auch gar keinen Plattenvertrag anstrebende Musiker nutzen die Dynamik der Websites längst, um mit ihren Fans in Kontakt zu bleiben, neue Videos und Musikstücke viral zu verbreiten. Verlinkungen und Suchfunktionen wie "wer das mag, mag auch das" helfen, die eigene Nische zu erobern.

Für den Popjournalismus eine Herausforderung: Verliert sich doch in den Verästelungen des www auch jeder musikjournalistische Öffentlichkeitsanspruch - die Chance, den Konsumenten auf Neuigkeiten jenseits des eigenen Mikrokosmos zu stoßen.

"Tausende von neuen Sachen"

Kavka aber hält es nicht mit dem Kulturpessimismus: Klar habe man im Netz keine nervigen Moderatoren mehr, keinen Verschnitt mehr, aber es erfordere eben auch ein bisschen Initiative, wenn man gut unterhalten werden will. Diese Hürde bedauere er - in Abgrenzung zum "No-Brainer" Fernseher - überhaupt nicht.

Er hat sie ja auch gerade überwunden. Sein erstes Notebook legte sich Kavka angeblich erst vor zwei Jahren zu - weil er einen Rechner brauchte, um Musik auf seinen iPod zu laden. In der Technik sei er noch nicht firm. "Wenn mein WLAN Symbol nichts anzeigt, dann stehe ich wie der Ochse vorm Berg."

Insofern verbiete sich für ihn eine Rolle als Internet-Crack. Vielmehr wolle er im Web-Fernsehen als Spätberufener mit den Zuschauern die Freude teilen, im Netz täglich auf "Tausende von neuen Sachen" zu stoßen. So wie etwa die Berliner Band namens Bonaparte, die Kavka in der ersten MySpace-Sendung vorstellen wird. Sie hätten bisher lediglich eine Platte auf einem kleinen Berliner Indie-Label verlegt, ihre Videos drehten sie sowieso selber. "Aber allen ihren Clips liegt eine lustige Idee zugrunde. Schlägt so etwas nicht jede Hochglanz-Produktion?"

Billiger als bei MTV könne er hier arbeiten, und ohne die Quote im Nacken. "Im Endeffekt mache ich endlich wieder, worauf ich Lust habe - wie damals als wir mit der Schulband Punkrock spielten."

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