Mode in Hollywood:Die neuen Mächtigen

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Zwischen Stars und Designern hat sich in den vergangenen Jahren ein zunehmend einflussreiches Bindeglied entwickelt: die Stylistinnen.

Lorraine Haist

Die düstere, tragische Seite von Hollywood wäre vielleicht irgendwann in einem Sumpf aus familiensinniger Ödnis untergegangen, hätte sich nicht eine neue Generation von Starlets ihrer angenommen:

Mischa Barton, eine der Hollywood-Schauspielerinnen, die sich auf Rachel Zoe verlassen. (Foto: Foto:)

Lindsay Lohan, Nicole Richie, Mischa Barton und Kate Beckinsale sind die prominentesten Mitglieder einer jungen Hollywoodclique, die von der Öffentlichkeit gleichermaßen bewundert, verachtet, beglotzt und bedauert wird.

Es ist nicht lange her, da blieb für die damals noch pummelige Schmusesänger-Tochter Nicole Richie in der Reality-TV-Serie "The Simple Life" nur die Rolle des Sidekicks von Paris Hilton; von Nachwuchsschauspielerin Lindsay Lohan war vor allem dann die Rede, wenn es um ihre "Donnerhüften" ging.

Das Werk eines mächtigen Masterminds

Heute flattert da, wo ehemals pralle Teenagerkörper Brüste und die unglücklichen Prollroben einer Jessica Simpson zeigten, Seventies-Couture und angeschlampt wirkendes Blondhaar über dem knochigen, kupferbraunen Nichts. Was steckt hinter dieser mysteriösen Verwandlung, die aus einer Horde geschmackloser Fashion Victims eine Art Lolita-Armee hat werden lassen, die tagsüber wie eine Karikatur des lässigen Boho-Chics einer Kate Moss, am Abend in der Uniform verwitweter Park-Avenue-Mäzeninnen daherkommt?

Tatsächlich ist Hollywoods neue Generation modisch bewaffneter Kindfrauen das Werk eines mächtigen Masterminds. Denn seit die Stylistin Rachel Zoe in den Diensten von Richie, Lohan & Co. steht, entspringt deren Aussehen einem großen, bis ins letzte Detail ausgearbeiteten Plan. Für eine geschätzte Tagesgage von 6000 Dollar hüllt die Mittdreißigerin "ihre Mädchen" vorzugsweise in den glamourösen Discodiven-Look einer frühen Diana Ross, Bianca Jagger und Diane von Fürstenberg, denen man die durchgefeierten Nächte im Studio 54 ruhig auch mal ansehen durfte.

Eine gewisse bis starke Ausgezehrtheit ist folglich auch einer der Grundpfeiler des Zoe-Stylings, das abends mit großen Roben, vorzugsweise von Yves Saint Laurent, Dior, Chloe, Valentino, Halston oder Azzaro, rauchigen Augen, falschen Wimpern und viel Goldschmuck aufgerüscht wird. Die Tagesuniform besteht in der Regel aus Röhrenjeans und kurzen Chaneljäckchen, Riesenbrillen, Riesentaschen, wieder Goldschmuck und mitleiderregend hohen Stilettos von Gucci, Alexander McQueen oder Christian Louboutin.

Eine regelrechte Mafia

Dass in Modefragen meist unbeschlagene Celebrities die Hilfe von professionellen Stilexperten in Anspruch nehmen, ist weder neu noch erstaunlich. Schließlich will man nicht als ewiger Modeversager im fotografischen Gedächtnis der Welt eingebrannt sein, nur weil man sich mal - wie Popsängerin Björk - für eine Oscar-Verleihung in dieses Schwanenkleid gezwängt hatte, das leider keiner verstehen wollte.

Und weil sich Mode für die Stars mittlerweile zu einem derart bedeutenden Teil ihrer Profession entwickelt hat, "ist es wichtiger, was man auf dem roten Teppich trägt, als dass man einen Oscar gewinnt", sagt Annette Weber, stellvertretende Chefredakteurin des Magazins InStyle.

Deshalb gehört der Stylist neben dem Personal Trainer und der Assistentin heute zur Grundausstattung aller Hollywoodstars. "An einem Ort wie Hollywood, wo das ganze Leben ein knallhartes Business ist, in dem jeder um die größte Aufmerksamkeit kämpft, sind Stylisten wahnsinnig mächtig, eine regelrechte Mafia", sagt Weber. "Kein Star geht hier heutzutage auch nur einen Zentimeter vor die Haustür, ohne vorher seinen Stylisten konsultiert zu haben."

Das sah vor zehn Jahren noch ganz anders aus, als die Celebrities ihre Gala-Roben entweder selbst kaufen oder im Fundus der Studios ausleihen mussten; der Beruf des Stylisten existierte damals nämlich noch gar nicht. Seitdem haben sich die Verhältnisse geändert: Weil die Öffentlichkeit immer süchtiger wird nach immer tieferen Einblicken in das private Leben der Stars, werden sie inzwischen rund um die Uhr von Paparazzi verfolgt.

Joggen, Kaffeeholen, Gassi gehen - jeder öffentlich getätigte Star-Schritt wird abgelichtet und mittels einer wachsenden Zahl von Star-Magazinen millionenfach um die Welt geschickt. Von dieser Bilderflut profitieren nicht nur die Stars, deren Wert mit jedem Foto wächst, das es in die Magazine schafft, sondern auch die Designer, die ihre Mode dadurch effektiver denn je platzieren können . Wo früher nur ein ausgewähltes Publikum von Fachjournalisten die neuen Kollektionen zu Gesicht bekam, sieht sie heute die ganze Welt.

Stars haben, erklärt Weber weiter, die Supermodels als Mode-Ikonen abgelöst, "weil sie meistens nicht so erschreckend perfekt sind - jeder kann sich mit ihnen identifizieren. Wenn heute Eva Longoria aus Desperate Housewives beim Shoppen eine Röhrenjeans trägt, will die morgen jeder. Der wichtigste Laufsteg der Welt ist deshalb nicht mehr in Paris oder Mailand; es sind die Straßen von Hollywood."

Celebrity-Stylisten als Schnittstelle

Spätestens seit die Stylistin Patricia Field der vormals minder bekannten Schauspielerin Sarah Jessica Parker in der TV-Serie "Sex And The City" einen unverwechselbaren Look verpasste, der die Schauspielerin zum weltweit kopierten Mode-Vorbild und die Serie zur "Kultserie" werden ließ, sind die Fähigkeiten von Stylisten ins Licht der Öffentlichkeit gerückt. Im Hintergrund haben sich Stylisten längst zu einflussreichen Figuren der Modebranche entwickelt.

Früher schon durch die Bezeichnung "Designer-Musen" unterschätzt, arbeiten Größen wie Venetia Scott oder Katie Grand heute beinahe gleich berechtigt neben Marc Jacobs und Miuccia Prada an deren Kollektionen mit. Eine erstaunliche Karriere hat in den vergangenen Jahren auch die Französin Carine Roitfeld hingelegt: Gemeinsam mit dem Designer Tom Ford und dem Fotografen Mario Testino hat die Stylistin aus der ehemals für tot erklärten Marke Gucci eines der erfolgreichsten Labels überhaupt gemacht - Roitfeld ist mittlerweile Chefredakteurin der französischen Vogue.

Als Schnittstelle zwischen Modeindustrie und Starsystem sind aber gerade die Celebrity-Stylisten essenzieller Teil einer immer gewinnträchtigeren Wertschöpfungskette. Auch hier gibt es inzwischen bekannte Namen wie Jessica Paster, die Jennifer Aniston, Kim Cattrall oder Naomi Watts berät, oder Andrea Lieberman, die sich um Drew Barrymore und Gwen Stefani kümmert.

Zoe und die eigenen Handtaschen

Aber nur eine von ihnen hat den Sprung aus dem Schatten ihrer berühmten Klientinnen geschafft und wird inzwischen selbst als Star wahrgenommen: Rachel Zoe, die studierte Psychologin und ehemalige Moderedakteurin, als Rachel Zoe Rosenzweig in ein wohlhabendes jüdisches Elternhaus geboren, hat sich mittlerweile sogar so weit von ihrer Rolle als Dienstleisterin emanzipiert, dass sie ihre berühmten Auftraggeberinnen öffentlich "meine besten Freundinnen" nennen darf.

Zoe, die es als ihre "Mission" bezeichnet, "die Welt der Mode zu den Stars und die Welt der Stars zur Mode zu bringen", gibt neben Nicole Richie auf dem roten Teppich Autogramme, wird für Homestorys und Interviews internationaler Magazine fotografiert und entwirft inzwischen sogar gemeinsam mit der Designerin Judith Leiber eigene Handtaschen.

Dabei liegt die wahre Macht der Rachel Zoe nicht unbedingt in einem unfehlbaren Gespür für Mode. Diabolisch und verstörend an Rachel Zoe wirkt vielmehr ihr Einfluss, den sie sowohl auf die berufliche Entwicklung, als auch auf die Persönlichkeiten ihrer Klientinnen zu nehmen scheint: Kaum in den Fängen der Stylistin, werden aus normalgewichtigen, auch in modischer Hinsicht adoleszenten jungen Frauen spindeldürre, weltweit kopierte Stilvorbilder, deren Ruhm als Film-, TV- oder Werbestars mit ihrer äußeren Wandlung wächst oder überhaupt erst zustande kommt.

Und obwohl Rachel Zoe bestreitet, ihre Kundinnen als Abbild ihrer selbst zu erschaffen, zeigt sich jede ihrer Klientinnen kurz nach dem Erstkontakt im überladenen, erkennbar dem Vorbild der Meisterin folgenden Zoe-Look. "Wenn man so viel Zeit miteinander verbringt, färbt man eben aufeinander ab. Ich glaube, ich bin wie eine ältere Schwester für Lindsay und Nicole", hat Rachel Zoe mal über das Verhältnis zu einer ihrer prominentesten Kundinnen gesagt.

Als "große Schwester" bemüht sich Rachel Zoe erst gar nicht, den persönlichen Stil ihrer jungen Klientinnen - falls vorhanden - zu unterstreichen. Stattdessen ziehen die Kleinen an, was die Große ihnen anreicht - oftmals aus dem eigenen gigantischen Kleiderschrank. Heraus kommen vielseitig verwendbare, menschliche Labels - die sicht- und fühlbare Individualität einer Kate Moss wäre für dieses Geschäft nur schädlich.

"Der LA-Style ist eigentlich schon wieder total out"

Den Interessen der Designer kommt die Arbeitsweise der Stylistin sehr entgegen; sie ist ihr ideales Medium. Rachel Zoe, weiß Weber, sei als Stylistin eine solche Macht, dass sie die gesamte aktuelle Laufstegkollektion von Chanel nach Hause geliefert bekommt. Dass derart großzügige Gesten nicht unerhört bleiben, versteht sich fast schon von selbst.

So erklärt sich neben dem uniformen Look der Zoe-Schützlinge eventuell auch deren Magerkeit: "Stars haben selten Modelmaße, müssen aber in die Kollektionsteile der Designer passen, die ihnen ihre Stylistin vorlegt. Abnehmen ist also Teil des Jobs, und jeder weiß, worauf er sich dabei einlässt", sagt Weber, die sich selbst als "wahnsinnig dünn" bezeichnet.

Und was, wenn der Zoe-Style mal nicht mehr gefragt ist? Die diesjährige Herbst- und Wintermode lässt das jedenfalls befürchten. "Der LA-Style ist eigentlich schon wieder total out; die Mode wird in der Zukunft viel selbstbewusster aussehen - Babydolls verschwinden zugunsten von androgynen Looks", meint Sabine Maeulen, stellvertretende Modechefin des Magazins Madame. Mitleid mit den "Opfern" einer solchen Entwicklung sei jedenfalls nicht angebracht: "Dann wird eben ein neuer Look erfunden oder reich geheiratet". Kollegin Weber sieht das ähnlich realistisch: "Diese Mädchen wissen genau, wie sie ihre Popularität vermarkten. Und deshalb wissen sie auch, dass sie irgendwann ihr Geld verdient haben müssen."

Rachel Zoe muss sich jedenfalls nicht um Kundschaft sorgen. Jüngster Zuwachs ihrer Kartei ist "Fluch der Karibik"-Star Keira Knightley, die jedenfalls in einem Punkt vor den Methoden der Stylistin sicher ist: Hungern wird die seit jeher klapperdürre Schauspielerin für den Zoe-Look nicht mehr müssen.

© SZ vom 23.09.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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