Mit Kurt Krömer durch Berlin:Es gibt hier was zu lachen, Freunde

Jawoll, wir haben sogar fließend Wasser: Ein Spaziergang mit dem Komiker Kurt Krömer durch das Rütlischulen-Neukölln.

K. Raab

Am Nachmittag, die Sonne steht schon tief über dem Nachbarschaftsheim, stehen plötzlich vier Schuljungs an der Ecke, Halbstarke mit Migrationshintergrund wie aus dem Neukölln-Bilderbuch. Und sie lassen einfach nicht ab von dem Mann. Er versucht erst freundlich, sie loszuwerden, dann etwas bestimmter, aber sie reden weiter auf ihn ein und schneiden ihm den Weg ab.

Mit Kurt Krömer durch Berlin: Irrwisch mit fliederfarbenen Sakkosäcken: Kurz Krömer in Berlin-Neukölln.

Irrwisch mit fliederfarbenen Sakkosäcken: Kurz Krömer in Berlin-Neukölln.

(Foto: Foto: dpa)

"Ich erzähl' doch keene Witze", sagt der Mann, "weeßte doch. Ich stell' blöde Fragen und mach' so Faxen." Aber das genügt nicht, der Mann ist doch Komiker, da wird er ja wohl einen Witz erzählen können. "Jut", sagt er also irgendwann, es hilft ja offenbar nichts: "Was machste, wenn du eine Schlange in der Wüste siehst?" Die Jungs schauen sich an. "Wegrennen?" - "Nee. Du stellst dich hinten an."

Es dauert einen Moment, bis es klingelt, und den nutzt Kurt Krömer, um weiterzukommen. Wenn man mit ihm durch das Viertel streift, in dem er geboren ist, kann man den Eindruck bekommen, es handle sich um einen Bezirk wie jeden anderen. Er erzählt vom Weihnachtsmarkt im denkmalgeschützten Körnerpark. Oder deutet nach Norden, auf eine Grundschule. "Die haben mir da alles gezeigt", sagt er, "und dann habe ich gedacht: Denen kann man nicht helfen. Von denen kann höchstens ich noch was lernen, Respekt zum Beispiel." Parks. Galerien. Funktionierende Grundschulen.

Man kriegt das zunächst nicht zusammen. Da ist dieses Rütlischulen-Neukölln, "Synonym für eine aus den Fugen geratene Gesellschaft" (3sat), "Endstation" (Spiegel), "Gangsta-Front" (Stern), über das es so ernüchternde Zahlen gibt: Berlins höchste Schulschwänzerquote, außergewöhnlich viele Lungenkrebserkrankungen, die wenigsten Vermittlungserfolge eines Jobcenters. Und dann Krömer, dieser Irrwisch mit den fliederfarbenen Sakkosäcken, der an jeder Ecke etwas Lebenswertes entdeckt.

Es passt aber doch. Mit Krömer hat Neukölln Einzug ins öffentlich-rechtliche Unterhaltungsprogramm gefunden und wird gleichzeitig vom Bildungs- und Gewaltdebattenballast befreit. Krömer entmystifiziert Neukölln: Es gibt hier was zu lachen, Freunde. Seit 17 Jahren, seit seinen ersten Auftritten, gibt er dem in Verruf geratenen Stadtteil ein markanteres Gesicht. Hier ist seine Komikeridentität entstanden und gewachsen, eine Figur von etwas vulgärer Eleganz, zwischen Verzweiflung, Stolz, kleinbürgerlichem Habitus, zivilem Ungehorsam, beispielhafter Weltzugewandtheit und sagenhafter Direktheit. Hier holt er sich seine Inspiration und rückversichert sich, dass seine Figur noch stimmt.

Große Schau oder Genickbruch

In diesen Tagen bereitet er die neue Staffel seiner Fernsehsendung vor, "Krömer - Die Internationale Show". Vor einigen Jahren ist er vom Rundfunk Berlin-Brandenburg ins Erste Programm gerutscht. Eine Weile wurde seine Show sehr spät ausgestrahlt, schlecht für Zuschauer, "ideal für einen Komiker", sagt er, "das hat Potential."

Es ist eine Talkshow mit anarchischen Zügen, in der Krömer immer Ausschau hält nach der nächsten Aktion, die einem Gespräch entweder das Genick bricht oder es zur großen Schau macht. Die Boxerin Regina Halmich fragte er: "Warum dürfen Sie Frauen schlagen und ich nicht?" Berlins Bürgermeister fragte er: "Champagner, Herr Wowereit? Glas oder Pumps?" Mit dem Schriftsteller Jakob Hein, den Krömer von Open-Stage-Veranstaltungen kennt, wälzte er sich prügelnd auf dem Boden. Und Neukölln ist selbstverständlicher Teil dieses Programms geworden.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was Kurt Krömer zu einem Exzessiv-Neuköllner macht.

Es gibt hier was zu lachen, Freunde

Einmal besuchte er das Neuköllner Krankenhaus und prüfte dort seine Geburtsunterlagen. Soeben hat er die Blaskapelle des Albert-Schweitzer-Gymnasiums eingeladen, seine Show zu begleiten; wenn ein Gast langweilig wird, soll sie schnell was spielen. Und Bezirksbürgermeister Buschkowsky ist ständig Gast. Beim ersten Auftritt entwendete Krömer dessen Amtskette und rief seiner Sekretärin zu, sie könne jetzt "den Mariacron bringen". Zuletzt klatschte Buschkowsky Krömer eine Torte ins Gesicht.

Dick und Doof

Heinz Buschkowsky soll auch in der neuen Staffel wieder seinen Auftritt haben. "Wir sind ein bisschen wie Dick und Doof", sagt Krömer. Und beinahe vergisst man darüber, dass Buschkowsky eigentlich dadurch einem breiteren Publikum bekannt wurde, dass er, ein Mann am rechten Flügel der SPD, Multikulti für gescheitert erklärte und eine "fordernde Integrationspolitik" befürwortet. Dass ihm Alarmismus vorgeworfen wurde und dass es von ihm zurückschallt: Wirklichkeitsverweigerung!

Mittag, Termin bei Heinz Buschkowsky. Der ist verärgert. "Es ist 12.26 Uhr", sagt er. "Wann waren wir verabredet, Herr Krömer? Um 12. Ich muss in zehn Minuten weg." Aber die nutzt er dann, um Krömer "einen Exzessiv-Neuköllner", zu nennen, "unbezahlbare Werbung für uns", "eine unheimliche Figur der Identifikation für die Menschen". Zum Abschluss verschenkt er Stoffeisbären und Exemplare des Romans "Arabboy" der früheren Sozialarbeiterin Güner Balci. "So wie in ihrer Geschichte", sagt der Bürgermeister, "ist es wirklich."Die Hauptfigur, Rashid, wächst in der Neuköllner Parallelgesellschaft zu dem heran, was Intensivtäter genannt wird. Niederschmetterndes Buch.

Es beschreibt allerdings nicht exakt Krömers Version von Neukölln.

Prominenter Hampelmann

Wenig später sitzt der mit dem Jugendarbeiter Fadi Saad, der ein Buch über seine Vergangenheit als Mitglied der Gang "Araber Boys 21" geschrieben hat, im Quartiersmanagement Körnerpark beim Kaffee. In Kiezen mit besonders niedrigem Sozialstatus hat die Stadt solche Managements eingerichtet, mit dem Ziel, die befürchtete Gettoisierung zu verhindern. Krömer ist Schirmherr des Körnerkiezes und des Nachbarschaftsheims, wo es Deutschkurse gibt, Sportturniere und Hausaufgabenbetreuung.

Ihm gefällt die Idee, dass man die Bewohner einbinden will; dass man die Eltern stärker in die schulische Erziehung einbezieht. Einen "Anschubser" nennt sich Krömer, den "prominenten Hampelmann". Der nach außen trägt, dass Neukölln voller Bewegung stecke - dass man aber in den Bezirk investieren müsse, damit diese Bewegung nicht verpufft. Ein unspektakuläres Unterfangen wie die Renovierung des maroden Nachbarschaftsheims steht ganz oben auf seiner Liste.

Das ist nicht alles

"Über die schlechten Seiten von Neukölln könnte ich auch ein Buch schreiben", sagt Krömer, "'nen Mehrteiler." Seit 34 Jahren, solange er lebt, sei Neukölln ein Bezirk mit relativ großer Armut und Arbeitslosigkeit. Aber das sei eben nicht alles, was es zu sagen gebe. "Natürlich gibt es Schwierigkeiten mit der Integration der Leute", sagt Krömer. "Dass die türkische Gemeinde mit der arabischen Picknick macht, das ist halt nicht. Aber es kann doch nicht sein, dass Leute aus Berlin-Wilmersdorf mal nach Neukölln geraten und dann sagen: Mensch, ist das schön hier, die haben ja sogar Parks. Jawoll, denk' ich da, wir haben auch fließend heißes Wasser."

Es ist nicht notwendig, all das mitzudenken, wenn Kurt Krömer auf der Bühne steht. Er ist auch als Spaßmacher rezipierbar, der sich in Servietten schnäuzt, gezielt Panne über Panne produziert und sein Publikum nass spritzt. Man kann seine Affinität zu Clowns wie Leo Bassi oder zu Louis de Funès nach vorne rücken - aber der gesellschaftliche Zusammenhang ist dennoch immer präsent: Er parodiert seine soziale Herkunft nicht nur, er vermittelt sie auch. Und gehört damit zu den wenigen ernstzunehmende Milieufiguren im deutschen Fernsehen.

"Man wechselt nicht die Seiten, nur weil die Gegner bunte Trikots haben"

Doch wo er und seine Figur wirklich übereinstimmen? Krömer, der Arbeitersohn, brach erst das Gymnasium, dann eine Herrenausstatterausbildung ab, arbeitete auf dem Bau, in den Neunzigern hat er ein Jahr lang eine Komikschule besucht. Aber - ja - Krömer wohnt mittlerweile in Kreuzberg. Und - ja - er heißt eigentlich anders, umständlicher: Alexander Bojcan. Aber es ist ja auch nicht notwendig, dass eine solch steile Type, wie er sie gibt, sich eins zu eins aus der Biographie ihres Erfinders speist. Er muss sie nur wirklich kennen.

Er hätte sie stärker ausschlachten können, um schneller bekannt zu werden, Angebote für größere Shows auf Privatsendern hat er aber abgelehnt, Einladungen in die Sendung eines etwas breitmäuligen Moderators ebenfalls; dem Stern sagte er, der trete ihm zu sehr nach unten. "Meine ganze Ablehnung gegen, wat weeß ick, Privatfernsehen oder dagegen, in den Shows von irgendwelchen Leuten aufzutreten, das hab' ich in Neukölln gelernt", sagt Krömer. Man wechselt nicht die Seiten, nur weil die Gegner buntere Trikots haben. "Ich profitiere sehr davon, dass ich hierher komme."

"Krömerchen!", ruft plötzlich ein Mann vor dem Einkaufscenter am Rathaus, in der Hand eine Bierflasche, neben sich ein paar Kumpels. Krömer plauscht mit ihm, dann geht er weiter und sagt: "Was'n das für 'ne Gang!" In der Hand hat er eine Plastiktüte, in der sich "Arabboy" und der Stoffeisbär befinden, Intensivtäter und Knut.

Irgendwie sieht das so aus, als gäbe es nicht nur eine Wirklichkeit in Berlin.

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