Mit der Bayerischen Staatsoper unterwegs in Japan:Dann heul doch

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Wie man elf Seecontainer Bühnenbild im Akkord umpackt

Von Egbert Tholl, Tokio

Vielleicht sollte man, da vor der "Tannhäuser"-Aufführung ein kleiner Moment Ruhe herrscht, einmal erklären, wie man ein solches Gastspiel herstellt. Zunächst sind da die Japaner, die solche Produktionen haben wollen. Namentlich war dies Tadatsugo Sasaki, der die Staatsoper 1974 zum ersten Mal ins Land holte. Sasaki, der vor zwei Jahren starb, dessen Leidenschaft für Oper aber von seinem Nachfolger bei der Firma NBS weitergeführt wird, liebte Wagner, am liebsten in altbackenen Inszenierungen, ließ sich aber auch schnell eines Besseren belehren und freute sich 2005 zum Beispiel über David Aldens "Germania Nostrum"-"Tannhäuser"-Inszenierung, die im zweiten Akt übrigens auch als wunderbares Bild für die japanische Gesellschaft taugte.

Generell wollen die Japaner, so erzählt Nikolaus Bachler, von der Staatsoper Mozart, Wagner, Strauss; Sasakis Nachfolger Norio Takahashi wollte nun einen "eigenen" Tannhäuser, worauf man sich einigte, lange bevor irgendjemand ahnen konnte, was Romeo Castellucci mit dem Stück machen würde. Takahashi kaufte blind.

Bereits vor einem Jahr, so erzählt der technische Direktor Karsten Matterne, begann die Vorbereitung, also etwa ein Dreivierteljahr vor der Münchner "Tannhäuser"-Premiere. Als Castellucci dann seine Inszenierung in München entwickelte, sei Japan bereits mitgedacht worden - wobei, eine echte Reiseproduktion ist das nicht geworden. Auch wenn Matterne sagt, sie sei längst nicht die technisch komplizierteste Arbeit im Repertoire der Staatsoper, bis auf den Umstand, dass sie für jeden Akt ein gänzlich anderes Bühnenbild habe.

Als sich das Ding konkretisierte, wurde vermessen. Technische Delegationen reisten nach Japan und erkundeten die NHK-Halle, in München wurde jeder einzelne Bestandteil des Bühnenbilds gelistet, gewogen, fotografiert und mit einer Materialangabe versehen. Das dauerte Wochen. Anfang Juli wurde das Bühnenbild dann verpackt, in je elf Seefrachtcontainer für "Zauberflöte" und "Tannhäuser", dazu kam Luftfracht für Dinge, die keine Fahrt übers Meer vertragen wie etwa die Elektronik. Doch so gut man das alles auch vorbereitet, so genau man bereits in München plant, wie man mit der Bühne in Japan umgehen muss, die 2,5 Meter breiter am Portal, aber sechs Meter weniger tief ist, so präzise man mit Laser alles vermessen hat - ein paar Überraschungen bleiben immer. Etwa: Die Maße verändern die Akustik für die Bühnenmusik, der Graben hat eine halboffene Balustrade, das Orchester klingt direkt durch, während der Pausen darf hier das Publikum im Saal bleiben, Umbauten sind nur bei geschlossenen Vorhang möglich. Und die Zeit drängt.

Vor gut einer Woche wurde ausgeladen, in der Nacht, am nächsten Tag aufgebaut. Dann war Klavierprobe, nach der wieder alles abgebaut werden musste. Die NHK-Hall dient auch als eine Art Mega-Studio des Fernsehens hier, jeden Tag läuft dort etwas anderes, am Wochenende wird mit Shows Geld verdient. 3600 Menschen pro Abend schauen zu. Deshalb muss der "Tannhäuser" immer wieder raus, deshalb wird die Oper nur an Wochentagen gezeigt, was bei einer Anfangszeit von 15 Uhr den Verkauf nicht erleichtert. Aber am Wochenende macht der Sender selbst Kohle.

Im Drei-Schicht-Betrieb arbeiten in der NHK-Hall 44 Techniker aus München zusammen mit den hiesigen. Es ist das siebte Japan-Gastspiel der Bayerischen Staatsoper, manche der Münchner kennen die Halle so gut wie die Ortsansässigen. Blöd nur, dass in der Halle keinerlei Stauraum vorhanden ist; teilweise muss das Bühnenbild wieder in die LKWs, also zerlegt werden. Vor der Generalprobe, die die einzige Orchesterprobe in Japan war und von 15 bis 22 Uhr dauerte, wurde in der Nacht wieder die Bühne aufgebaut. Da ist es auch ein großer Vorteil, dass Kirill Petrenko bei aller Akribie ein sehr praktischer Mensch ist. Punkt 22 Uhr ist er durch. Danach haben die Techniker dann bis 4 Uhr früh Zeit, den "Tannhäuser" wieder aus der Halle zu kriegen. Bis zur Nacht vor der Aufführung am Donnerstag, versteht sich. Keiner von ihnen flucht, Überforderung ist für sie Teil des Berufsethos. Erholt schauen sie nicht aus.

© SZ vom 21.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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