Michael Jackson:Ein Defilee aus Notwendigkeit

Man befördert die Jackson-Leiche zum Friedhof, um ihn von dort auf die Mega-Party der happy few im Staples Center zu bringen. Doch was geschieht danach? Michael Jackson, einmal mehr zwischen Öffentlichkeit und Abgeschirmtheit.

Bernd Graff

Bestattungen, Begräbnisse, Beisetzungen: Die deutschen Begriffe, die synonym verwandt werden, meinen jenes Ritual der Trauerbewältigung für Nachkommen und Nahestehende, mit denen Toten die letzte Ehre auf dem Weg zum Grab erwiesen wird. Ausstattung und Pomp jenes letzten Geleits, aber auch die Exklusivität, unter der der eigentliche Akt der Bestattung vollzogen wird, sind seit je auch demonstrative Aussagen darüber, wie bedeutsam der verstorbene Mensch zu Lebzeiten gewesen ist.

Michael Jackson: Wie genau Michael Jacksons Beerdigung aussehen wird, ist noch unklar.

Wie genau Michael Jacksons Beerdigung aussehen wird, ist noch unklar.

(Foto: Foto: ap)

So weiß man etwa, dass Marilyn Monroes Leichenzug am 8. August 1962 zwar von vielen Beobachtern gesäumt wurde, der tatsächliche Akt der Beisetzung ihres Bronzesargs aber in einem Kreis von nicht mehr als 25 Personen erfolgt ist.

Dasselbe gilt für die Zeremonie der Princess of Wales, Diana Frances Mountbatten-Windsor. An Dianas letztem Weg bildete sich das größtmögliche öffentliche Spalier, an ihrem Begräbnis auf dem Familiensitz der Spencers durften indes nur engste Verwandte teilhaben.

Noch dramatischer ist diese Differenz im Trauerfall Dianas, wenn man bedenkt, dass eben nicht nur an die drei Millionen Menschen den Trauerzug durch die Straßen Londons aktuell begleiteten, sondern etwa 2,5 Milliarden Zuschauer die Feierlichkeiten vor der Beisetzung an den Fernsehschirmen verfolgten.

Dianas Trauerzug durch London wurde das größte Fernsehereignis aller Zeiten. Nicht einmal die Bilder der Totenmesse und der Aufbahrung des polnischen Papstes, Johannes Paul II., im Petersdom vor vier Jahren oder von der Mondlandung hatten annähernd so viele Zuschauer. Für die Mondlandung aus nachvollziehbaren Gründen: 1969 waren Fernseher noch nicht so verbreitet. 500 Millionen Zuschauer bedeuteten damals eine weltweite Einschaltquote von 50 Prozent.

So stehen auch Michael Jacksons Bestattung und Trauerfeier im Juli 2009 in einem Spannungsverhältnis von Öffentlichkeit und Abgeschirmtheit.

Während der King of Pop auf dem Weg zu seiner letzten Ruhestätte auf dem Forest-Lawn-Friedhof bei Hollywood zuerst nur von allerengsten Vertrauten und Verwandten begleitet wird, soll die anschließende Trauerfeier für Michael Jackson zur "Mega-Party" (Bild-Zeitung) und zum TV-Event mindestens des Jahres werden: Die Organisatoren rechnen mit mehreren hundert Millionen Fernsehzuschauern, die das frei empfangbare Spektakel weltweit live verfolgen werden und erleben können, wie Maria Carey, Usher, Brooke Shields, Lionel Richie, Stevie Wonder, Diana Ross und die zugeschaltete Madonna, um etwa im Chor "Heal the World" zu singen.

Und doch gibt es einen gravierenden Unterschied zwischen allen bislang bekannten Totenfeierlichkeiten und den Ankündigungen zu den Jackson-Zeremonien: Die Meldungen zum tatsächlichen Verlauf von Jackos Beisetzung sind noch unmittelbar vor dem Ereignis von geradezu erschütternder Widersprüchlichkeit: Es werden gleich zwei Beisetzungsszenarien ventiliert.

Einerseits heißt es, dass Jacksons Leiche nach einer kurzen Familienandacht vom Friedhof wieder durch die Innenstadt von Los Angeles in das Staples Center und dort mitten auf die Bühne überführt werde.

Andererseits heißt es beim amerikanischen Fernsehsender ABC, dass die Hinterbliebenen der Jackson-Familie vor dem Fernsehereignis die Jackson-Beisetzung in aller Stille durchführen wollen. Die Öffentlichkeit und alle erwarteten Stars sollen sich danach erst zur TV-Trauerfeier im Staples Center in Downtown Los Angeles zusammenfinden, wo die von Bild angekündigte Mega-Party ausbrechen soll.

Beides - mit Verlaub - gehört sich nicht: Man bringt eine Leiche, und sei sie Jackos, nicht von einem Friedhof weg zu einer Party - und anschließend von dort hoffentlich wieder zurück. So etwas erzeugt Untote. Einmal Friedhof ist immer Friedhof. Da gibt es eben kein Zurück - schon gar nicht zurück auf eine Party, die das leben sein sollte.

Andererseits gehört zu einer anständigen Leiche aber nicht nur der festlich begangene Leichenschmaus, sondern eben auch der reguläre Leichengang. Trauernde Menschen wollen den Sarg sehen und den Toten womöglich auf seinem letzten Weg begleiten, um wirklich Abschied nehmen zu können. Sie brauchen die Gewissheit des Todes und der letzten Ruhe, damit auch sie Ruhe finden können und die Trauer enden kann. Ein wirklicher Abschied benötigt daher die Bilder einer Bestattung, um selber loslassen zu können. Darum werden bedeutende Leichenzüge ja so sorgsam als Rituale, als Bildgeber, inszeniert.

So war es bei John F. Kennedy, so war es bei Monroe, so war es bei Francois Mitterrand und bei Diana, und auch bei Konrad Adenauer war es so. Und natürlich war es auch so, als am 18. August 1977 der King of Rock 'n' Roll, Elvis Presley, seine letzte Reise antrat.

Vermutet wird daher, dass auch Jackos Fans ein Defilee bekommen werden. Für den Autokorso mit dem Sarg Jackos wurden mitten im morgendlichen Berufsverkehr kurzzeitig mehrere Straßen gesperrt.

Dennoch brodelt die Gerüchteküche: So heißt es, man werde Jacksons Sarg gleich nach dem Versenken ins Erdreich in Zement eingießen, um das zu verhindern, was mit Charlie Chaplins Leiche geschah: dass sie gestohlen werde. Ein einbetonierter Jacko aber, im Grauguss-Sarkophag wie das radioaktiv verstrahlte Atomkraftwerk Tschernobyl - das dürfte mutmaßlich das Letzte sein, was man der weltweiten Fangemeinde des King of Pop als Trauerhilfe antun dürfte - anschließende Mega-Party mit "Heal the World" hin oder her.

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