Michael Bublé im Interview:Flachlegen als kreativer Antrieb

Mit dem Erfolg kommt die Macht und mit der Macht die Mädchen. Darum swingt sich Michael Bublé des nächtens durch die Clubs und Konzerthallen. Aber Erfolg ist nicht alles: Nicht wahr, Mr. Bubbles?

Hans Hoff

Michael Bublé weiß ausnahmsweise, wo er sich befindet. In einer Kölner Hotelsuite verortet sich der Swingsänger und ist stolz auf sein Erinnerungsvermögen. Der in der Ferne die Stadtsilhouette dominierende Dom bleibt unbeachtet, denn Bublé will erzählen - und er sieht dabei aus wie einer, der eben noch in der nahen Fußgängerzone rumlungerte. Baseballkäppi, zerfaserte Jeans und eine verbeulte Jacke lassen ihn so gar nicht nach elegantem Swing aussehen. Bublé spricht konzentriert und schnell. Gelegentlich wirkt er wie berauscht von seinem eigenen Wortschwall. Der Mitteilungsdrang hält an, so dass er nach dem Interview darauf besteht, dem Interviewer noch seine wunderschöne Freundin vorzustellen. Er zerrt die schüchtern lächelnde Schauspielerin Emily Blunt herbei. Auch sie trägt Käppi.

michael buble swing

Michael Bublé: Klasse-Musiker in einem Klasse-Anzug, versteht sich.

(Foto: Foto: DPA)

SZ: Michael Bublé, wie oft wurde in dieser Woche Ihr Name falsch ausgesprochen?

Michael Bublé: Jeden Tag. Gestern noch hier im Hotel war ich Mr. Dublay. Meine Freundin war sehr erstaunt. Wo nehmen sie das D her, hat sie gefragt. Ich verstehe ja, wenn jemand Michael Bubbles oder Michael Bubel sagt - aber Dublay?

SZ: Tragen Sie schwer an diesem Namen?

Bublé: Fragen Sie nicht. Meine Plattenfirma wollte ihn sogar ändern. Als ich bei Warner unterschreiben sollte, sagten sie: Wir mögen deinen Namen nicht. Damit wird dich keiner ernst nehmen. Kein Mensch wird deine Platten kaufen. Geh also nach Hause und denk dir heute Nacht einen neuen Namen aus.

SZ: Haben Sie aber nicht getan.

Bublé: Doch, ich habe nachgedacht. Erst wollte ich den Nachnamen meines Großvaters annehmen, aber dann habe ich meinen Vater angerufen. Er war sehr gefasst und hat gesagt: Wenn's sein muss . . . Aber ich habe gemerkt, dass sein Herz zerbrach. Da wurde ich wütend, und je mehr ich darüber nachdachte: desto wütender.SZ: Zu Recht.

Bublé: Ich bin am nächsten Tag zu den Vertragsverhandlungen, und als sie fragten, was ich mir ausgedacht hätte, habe ich ihnen ein Blatt Papier und einen Stift über den Tisch geschoben. Ich habe gesagt: Wenn Sie mir hier garantieren, dass ich mit einem anderen Namen eine Millionen Platten verkaufe, ändere ich meinen Namen heute noch.

SZ: Was haben die gesagt?

Bublé: Dass sie das nicht garantieren können! Daraufhin habe ich gesagt: Don't you ever fucking ask me again.

SZ: So? In der Wortwahl?

Bublé: Genau so! Ich fühlte mich beleidigt. Plötzlich war mein Talent nichts mehr wert, meine Platte nichts mehr wert. Ich habe mit dem Namen Bublé gelebt. Ich habe in Clubs gesungen seit ich 16 Jahre alt war, und nie hat mein Name gestört. Warum soll ich ihn verdammt noch mal ändern?

SZ: Das war vor sieben Jahren sicherlich eine eher gewagte Aktion für einen 24-jährigen Anfänger. Jeder andere hätte alles für so einen Vertrag getan.

Bublé: Ich war komplett verstört. Ich hatte so lange an der Platte gearbeitet, ich hatte meine Familie nicht gesehen, meine Beziehung lag im Sterben, ich hatte mich komplett verkauft. Ich hatte an dem Punkt so viel aufgegeben, dass ich sagte: No more. Was würden Sie sagen, wenn man Sie auffordern würde, Ihren Artikel unter einem anderen Namen zu veröffentlichen, weil Ihrer nicht gut genug ist?

SZ: Ich wäre nicht sehr erfreut.

Bublé: Sehen Sie.

SZ: Haben sich die Menschen von der Plattenfirma entschuldigt für ihr Verhalten?

Bublé: Einer hat es geschafft. Sie sind ja damals auch umgeschwenkt und haben gesagt: Okay, fein, machen wir so.

SZ: Weil Sie so wütend waren?

Bublé: Wahrscheinlich. Vorher war ich nur der kleine Junge in einem großen Meeting. Die Nacht, in der ich mir einen Namen suchen sollte, hat wohl etwas freigesetzt.

Seite 2: Michael Bublé, ein Wolf im Schafspelz, der sich trotzdem vom Rattenpack und riesigen Glitzerstädten fern hält.

Flachlegen als kreativer Antrieb

SZ: Vielleicht haben die Manager Sie unterschätzt, weil Sie auf der Bühne so nett und knuddelig wirken.

Bublé: Ich bin ein knuddeliger Junge, aber ich bin ein echter Junge. Ich bin nett. Und ich will niemals jemandem den Stolz rauben. Ich war niemals schwach, nicht mal auf der Bühne. Haben Sie mich live gesehen?

SZ: Ich habe Ihre Live-DVD "Caught In The Act" angeschaut.

Bublé: Dann kennen Sie mich nicht. Diese Show haben wir für einen öffentlich-rechtlichen Sender in den USA aufgezeichnet, die haben mich vorher eingeschworen: Benutze keine bösen Wörter, keine Flüche, sei nicht unanständig!

SZ: Sind Sie das sonst?

Bublé: Ich habe einen sehr direkten Sinn für Humor, der kam bei dieser Show nicht zum Zuge. Das ist nur mein sauberer Teil.

SZ: Also sind Sie in Wahrheit sehr böse?

Bublé: Ich sage nicht, dass ich Ozzy Osbourne bin, aber ich mache eine scharfe Show. Als ich damit anfing, bekam ich Briefe von Menschen, die schrieben: Ich liebe Deine Musik, aber ich kann nicht zu Deiner Show kommen, weil du Scheiße gesagt hast, weil Du über Sex gesprochen hast, weil Du einen Witz über Marihuana gemacht hast.

SZ: Das hat Sie nachdenklich gemacht?

Bublé: Ja, aber dann kam ich zu dem Schluss: Das bin ich. Und wenn ich damit diese fünf Prozent des Publikums verschrecke, dann vergiss es! Ich habe erkannt, dass zwar fünf Prozent gegangen sind, dass ich aber 30 Prozent dazugewonnen habe.

SZ: Die Ihren Stil mögen.

Bublé: Mein Publikum ist nicht konservativ christlich. Nicht mehr. Früher hatte ich Fans, die schrieben mir, dass zu viele Schwule in meinem Publikum sind, dass bei meinen Shows zu viel getrunken wird. Ich habe gesagt: Gut. Das ist prima. Wo ist das Problem?

SZ: Das bringt Sie etwas näher zum Rat Pack - die haben geraucht und getrunken.

Bublé: Ich trinke nicht. Hier und da mal ein Glas Wein oder Scotch.

SZ: Sie rauchen?

Bublé: Gelegentlich.

SZ: Aber nicht auf der Bühne, wie Sinatra und seine Freunde?

Bublé: Niemals, ich will gar nicht erst versuchen, wie die zu sein. Ich komme prima damit klar, ich zu sein. Ich will nichts vormachen. Ich habe großen Respekt fürs Rat Pack. Ich habe sie studiert, ihre Musik analysiert, ihre Phrasierung ausprobiert. Aber ich wollte nie Teil sein. Ich wollte auch nie nach Las Vegas.

SZ: Wirklich nicht?

Bublé: Als ich mit 16 Jahren angefangen habe, wusste ich nichts vom Geheimnis des Rat Packs. Ich mochte nur die Musik, bin auf die Bühne und habe gelernt, zu unterhalten in Bars, wo niemand hingekommen ist, um mich zu sehen. Die wollten sich betrinken und flachgelegt werden. Ich habe das neun Jahre lang gemacht, mein Handwerk gelernt. Deshalb war ich im besten Sinne fertig, als ich mit 25 Jahren meinen Vertrag unterschrieben habe.

SZ: Aber der Swing, den Sie bieten, zielt auf ein konservatives Publikum.

Bublé: Oh nein! Der ist für ein Publikum, das Sex haben will, tanzen will, schnell Auto fahren will, das konservativ ist, das schwarz ist, das schwul ist, das 13 oder 69 Jahre alt ist. Genau deshalb habe ich Platten in 47 Ländern verkauft.

Seite 3: Gute Musik, die in guten Anzügen steckt, und was Bublé mal seiner Freundin erzählen kann.

Flachlegen als kreativer Antrieb

SZ: Aber Sie treten konservativ auf, mit Anzug und Krawatte.

Bublé: Weil es höflich ist. Die Menschen zahlen Geld für die Shows.

SZ: Aber wenn Sie so wie jetzt kämen, mit zerrissener Jeans, schlabbriger Jacke und Baseballkappe - was wäre anders?

Bublé: Das würde nur meine Unsicherheit zeigen. Das würde zeigen: Schaut her, ich bin jung. Das wäre mies.

SZ: Warum?

Bublé: Weil es mies wäre. Das ist Klasse-Musik, die Leute zahlen viel Geld, meine Musiker in der Band tragen tolle Hugo-Boss-Anzüge. Da ist das Mindeste, was ich tun kann, mich auch anzustrengen.

SZ: Fühlen Sie sich wohl im Anzug?

Bublé: Großartig, aber die Kleider machen nicht immer den Mann. Ich habe schon einige von den jungen Swing-Typen gesehen, die auf die Bühne kommen mit einer Flasche Bier und damit zeigen wollen: Ich bin hip. Ich bin sogar so cool, dass ich Bier auf der Bühne trinken kann. Ich brauche sowas nicht. Ich bin cool genug. Ich muss nichts beweisen, indem ich auf der Bühne eine Baseballkappe trage.

SZ: Ihre Plattenfirma verkauft Sie als Crazy Crooner. Was ist ein Crooner?

Bublé: Das ist falsch. To croon heißt, dass man einem Baby etwas sanft vorträgt. Das tue ich nicht. Ich hasse das Wort Crooner. Ich kämpfe viel mit der Plattenfirma darum, wie sie mich verkaufen.

SZ: Aber die brauchen etwas, um Sie irgendwie zu beschreiben.

Bublé: Viele in der Plattenfirma sind meine Freunde, aber sie verstehen mich manchmal nicht. Ich bin zum Beispiel nicht hier, um Platten zu verkaufen oder in der größten Fernsehshow aufzutreten, ich arbeite an meiner Karriere, und das soll keine kurzfristige Angelegenheit sein.

SZ: Denken Sie daran, was Sie in zehn Jahren machen, wenn Sie 41 Jahre alt sind?

Bublé: Ja, mir geht es darum, ob etwas gut ist. Nehmen wir die neue Platte, da singe ich die Mel-Tormé-Nummer "Comin' Home Baby". Ich wollte daraus eine coole R-'n'-B-Nummer machen mit Boys II Men. Die Plattenfirma wollte aber Destiny's Child. Ich frage also: Warum? Weil die geil sind, haben sie gesagt. Es interessiert mich einen Dreck, ob die gerade geil sind, ich wollte Boys II Men, weil das tolle Sänger sind und richtig für den Song. Genauso wenig wie ich entscheide, was auf der Bühne cool aussieht, gehe ich auch bei meinen Platten vor. Die Frage ist immer: Bin ich das oder nicht?

SZ: Was treibt Sie an als Sänger?

Bublé: Liebe? Schmerz? Gebrochenes Herz? Verliebt sein?

SZ: Das können Sie Ihrer Freundin erzählen. Sie wenden sich aber an die Welt.

Bublé: Ich habe halt das Bedürfnis, mich auszudrücken. Bevor ich angefangen habe zu singen, wollte ich Schauspieler werden, und kurz bevor ich meine erste Platte gemacht habe und alles finster aussah, wollte ich schon hinschmeißen, nach Vancouver zurückgehen und Journalist werden. Ich mag Menschen, ich rede gern . . .

SZ: Worüber hätten Sie geschrieben?

Bublé: Über Menschen? Nun ... inzwischen habe ich gelernt, dass gut zu schreiben noch schwerer ist als gut zu singen.

SZ: Warum haben Sie eigentlich mit dem Singen angefangen?

Bublé: Ich weiß nicht ... Oder doch. Es ist eine billige Antwort: Ich wollte flachgelegt werden! Ich wollte die Mädchen!

Seite 4: Mäßiger Erfolg bei Frauen, Bikinivisionen und das Geheimnis ewiger Jugend.

Flachlegen als kreativer Antrieb

SZ: Waren Sie erfolgreich?

Bublé: Oh nein! Es wurde erst besser, als ich so 19 Jahre alt war und in Nightclubs gesungen habe. Dann war es okay.

SZ: Oscar Peterson hat mal gesagt: Auf der Bühne spielen ist besser als Sex.

Bublé: Naja, am Besten hat man beides. Ich finde das immer sehr, sehr lustig, wenn Musiker so komisch von der Kunst reden, von ihrer Motivation, ihrem kreativen Antrieb. Dabei geht es nur um Eines: Sogar beim Präsidenten geht es um Macht, weil mit der Macht kommen die Frauen.

SZ: Jetzt haben Sie aber eine feste Freundin?

Bublé: Es ändert sich mit den Jahren. Erst geht es nur ums Flachgelegtwerden und weniger um die Musik. Je älter man wird, je häufiger man also flachgelegt wurde, desto mehr nähern sich die beiden Ebenen an. Dann wird die Kunst wichtiger. Früher bin ich zum Strand gegangen und habe nur Bikinis gesehen. Heute kann ich zum Strand gehen, mich an einer Muschel erfreuen und die Mädchen nur nebenbei beobachten.

SZ: Ein Kritiker schrieb anerkennend, Sie trügen eine alte Stimme in einem jungen Körper. Wann treffen sich die beiden?

Bublé: Keine Ahnung. Ich fühle mich immer noch jung. Ich bin schon eine Weile mit meiner Freundin zusammen, und sie ist 24. Aber sie ist so reif, dagegen bin ich mit 31 Jahren immer noch ein kleiner Junge.

SZ: Sie wollen der knuddelige Junge bleiben?

Bublé: Ich weiß nicht, ob ich das entscheiden kann, es passiert einfach. Aber man bleibt in diesem Musikerleben on the road leicht jung. Ich war im vergangenen Jahr in 47 verschiedenen Ländern und habe mich kein bisschen verändert. Ich habe bei meiner Rückkehr Freunde von der High School getroffen. Die waren nicht mehr dieselben, die hatten geheiratet, Kinder bekommen, sind älter geworden. Bei mir hat sich nichts geändert.

SZ: Wann wird Ihr Erfolg komplett sein? Wenn jeder Ihren Namen aussprechen kann?

Bublé: Mmh, sagen wir so: Ich hoffe, dass Sie eines Tages hier auf der Couch sitzen und einen jungen Sänger fragen, ob er der neue Michael Bublé werden möchte. Ich bin so oft gefragt worden, ob ich der neue Frank Sinatra werden möchte, und ich habe immer gesagt: Es wird keinen neuen Frank Sinatra geben ... Ich hoffe allerdings auch, dass es so schnell keinen neuen Michael Bublé geben wird.

Michael Bublé wurde am 9. September 1975 in Kanada geboren. Sein Großvater erkannte früh das Potential des Enkels und führte ihn an den Swing heran. Mit 16 sang Michael in Bars, später versuchte er sich als Elvis-Darsteller. Als er im Jahr 2000 auf einer Hochzeit sang, wurde er vom WarnerProduzenten David Foster entdeckt und gefördert. Sein erstes Album mit Klassikern wie "Fever", "For Once In My Life" oder Van Morrisons "Moondance" erschien 2003, ein zweites folgte 2005. Für beide Platten bilanziert Warner elf Millionen verkaufte Exemplare unter anderem in Kanada, Australien, Deutschland und den USA. Gerade ist "Call Me Irresponsible" erschienen, das dritte Album, das neben Standards auch zwei von Bublé selbst komponierte Titel enthält. Michael Bublé lebt in Vancouver und ist liiert mit der britischen Schauspielerin Emily Blunt ("Der Teufel trägt Prada").

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