Mein perfekter Tag (1):Ja und Ja und Ja

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Alle reden vom Wetter. Recht haben sie! Von Sibylle Lewitscharoff

Sibylle Lewitscharoff ist Schriftstellerin. Für ihren Roman "Pong" erhielt sie 1998 den Ingeborg Bachmann-Preis. Zuletzt erschien von ihr der Roman "Montgomery" (DVA). Sie lebt in Berlin.

Wichtige Voraussetzung: Wetter. Am geglückten Tag herrscht weder zu warmes noch zu kaltes Wetter, und der Wind streicht in Form zarter Lüftchen dahin. Am geglückten Tag wird spaziert, möglichst ohne Beschwernis; Schlüsselbund und Geldschein in der Jackentasche genügen. Aus freudiger Laune wird aber von der Route abgewichen und dabei Himmelskontakt hergestellt, womöglich sogar ein kleines kinderfrommes Gebet hinaufgeschickt. Der in den Nacken gelegte Hals empfängt sogleich Bestätigung von Vater, Sohn und Heiligem Geist: Ja und Ja und Ja! Paradiesaufschluss wurde gewährt, aus himmelseingeborenem Blau kommen betörende Winke. Ja, es ist ein großartiges Geschenk, in der Welt zu sein mit Knochen, Muskeln und Sinnen, die tadellos funktionieren. Arbeitspläne segeln durch den Kopf, löblichere denn je. Menschen werden heiter zur Kenntnis genommen, Tiere am Weg erweisen sich als generöse Satzlieferanten. Im Spatzenbusch wird aus winzigen Vögelkörpern ein Maximum an Lautstärke herausgequetscht. Vielleicht ein Café aufsuchen? Oder eine Buchhandlung? An solchem Tag legt sich die außerordentliche Entdeckung wie von selbst in die Hand, so geschehen mit dem Buch "Shlepping the Exile" von Michael Wex.

Zum geglückten Tag gehört die geglückte Rückkehr -- angenehmer Empfang, gutartige Post, tröstliche Spaghetti. Hernach: Lesen im mitgebrachten Buch, Mittagsschlaf. (Warum nun ausgerechnet davon geträumt werden muss, dass die Tür zum Zimmer geöffnet und es gestopft voll gefunden wird mit lauter lieben Kirchentagsbesuchern, die säuerlich verzeihend blicken, da sie hinausgeworfen werden, bleibt ein Rätsel.)

16 Uhr. Hier droht dem geglückten Tag eine flaue Stelle. Leider muss gearbeitet werden, und wirkliche Arbeit gelingt niemals auch nur halb so gut wie an der Luft im voraus erschwindelte. Lassen wir es bei einer knappen, unvollkommenen Seite bewenden und büxen ohne Gewissensbisse rasch wieder aus -- diesmal ins Kino. Spielt da womöglich ein Erzlieblingsfilm wie "Dogville" oder "Light Sleeper", ist alles geritzt. Geglückte Rückkehr, angenehmer Empfang, das Wetter ist noch warm genug, um sich auf die Terrasse zu legen und bei einem hochprozentigen Getränk die Sterne zu bewundern.

© SZ vom 30.4.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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