Mediaplayer:Takeshis blutiges Schloss

Mediaplayer: "Battle Royale" inspirierte unter anderem Quentin Tarantino.

"Battle Royale" inspirierte unter anderem Quentin Tarantino.

(Foto: Capelight)

Eine Gruppe Neuntklässler geht in "Battle Royale" mit Maschinenpistolen, Sicheln und Tasern aufeinander los.

Von Sofia Glasl

Ein Topfdeckel ist eine eher unpraktische Waffe. Zumindest im Vergleich mit den anderen Gerätschaften, die im japanischen Kultfilm "Battle Royale" nach dem Zufallsprinzip an eine Gruppe Neuntklässler ausgeteilt werden. Der Junge Shuja hat den klapprigen Blechdeckel zugelost bekommen. Seine 43 Klassenkameraden treffen es mit Maschinenpistolen, Sicheln und Tazern etwas schlagkräftiger. Sie alle wurden nach dem Gesetz der "Battle Royale Millenium Erziehungsreform" auf eine verlassene Insel gebracht. Das Gesetz soll im von Arbeitslosigkeit und jugendlichem Ungehorsam gebeutelten Japan für Recht und Ordnung sorgen. Jedes Jahr wird an einer zufällig ausgewählten Schulklasse ein Exempel statuiert, und die Kinder müssen einander in einem dreitägigen Blutbad auf Leben und Tod umbringen. Es kann nur einen Gewinner geben in diesem Schulklassenkampf. Das ist die Prämisse in Kinji Fukasakus letztem Werk, der Romanverfilmung "Battle Royale", einer düsteren und sardonischen Dystopie.

Was klingt wie ein brutaler Abklatsch der "Die Tribute von Panem"-Reihe ist tatsächlich ein bereits aus dem Jahr 2000 stammender japanischer Kultfilm, der es auf dem Weg zu den Zuschauern in Deutschland bisher etwas schwer hatte. Ähnlich wie Sam Raimis Zombie-Horrorfilm "Tanz der Teufel" war "Battle Royale" lange Jahre in seiner ursprünglichen Fassung vom Jugendschutz indiziert worden. Ende Februar wurde der Film nach mehrfacher Prüfung vom Index gestrichen und kommt derzeit in einer ungeschnittenen Fassung auf kleine Kinotour, bevor er Ende April auf DVD erscheint, ohne Jugendfreigabe. Das dürfte die Fangemeinde des Films freuen, denn "Battle Royale" ist nicht nur in der asiatischen Popkultur ein heiß verehrtes Kultobjekt. Einen besonders glühenden Bewunderer fand der Film im amerikanischen Regisseur Quentin Tarantino, der seinem Kollegen Fukasaku 2003 in "Kill Bill Vol. 1" eine Reminiszenz erwies. Er besetzte die Schauspielerin Chiaki Kuriyama, die im japanischen Film noch dem Mordspiel zum Opfer fiel, als blutrünstige, Morgenstern schwingende Teenager-Assassine und kreierte damit selbst eine neue Kultfigur.

Als Leiter des tödlichen Spiels hat Regisseur Fukasaku in "Battle Royale" den japanischen Actionstar und Medien-Mogul Takeshi Kitano besetzt. Sein typisches, konsequent stoisches Spiel macht den Lehrer, er heißt ebenfalls Kitano, zu einem unberechenbaren Widersacher der Jugendlichen. Er überwacht das Gemetzel von seiner Schaltzentrale in einer offengelassenen Schule aus. Die Rolle des Spielleiters ist eine Reprise von Kitanos Show "Takeshi's Castle", die auch im deutschen Fernsehen ausgestrahlt wurde. Darin versuchten die Teilnehmer durch an Jump'n'Run-Computerspiele erinnernde Hindernisparcours zu Takeshis Burg vorzudringen und sie zu erobern. In japanischer Fernsehmanier war dies ein kunterbuntes, für die Antretenden meist schmerzhaft endendes Unterfangen, das auf publikumswirksames Scheitern mit Lachpotenzial angelegt war. Erstaunlicherweise wird der blutige Wettkampf des Films nicht im Fernsehen ausgestrahlt. Doch für das Filmpublikum wird der Body Count der Verstorbenen wie eine Sport-Statistik eingeblendet. Der Zuschauer wird direkt auf seine Rolle als Voyeur und die ausbeuterische Reality-TV-Kultur aufmerksam gemacht.

Anders als Tarantino oder auch Stanley Kubrick in "Clockwork Orange" bettet Fukusaku die Gewaltszenen nicht nur ironisch ein, sondern überhöht mit ihnen ein Jugend-Melodram. Die Teenager kanalisieren in überlebensgroßen Gewaltausbrüchen die ungebremste Wucht, mit der die Facetten des Erwachsenwerdens auf sie prallen. Liebesgeständnisse werden angesichts der aussichtslosen Lage ausgesprochen, Eifersüchteleien und Rivalitäten bis aufs Äußerste ausgetragen. Kichert eine Gruppe Mädchen im einen Moment noch gemeinsam, gehen sie sich im nächsten aufeinander los. Das Streitobjekt: der süße Shuja, der sich tapfer mit seinem Topfdeckel verteidigt und den Sturm auf Kitanos Schloss vorbereitet.

Battle Royale ist derzeit in ausgewählten Kinos als Wiederaufführung zu sehen und erscheint am 28. April in der ungekürzten Fassung auf DVD und Blu-ray (ab 19,99 Euro).

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