Mediaplayer:Sisyphos an der High School

Lesezeit: 3 min

Der Film "Wenn du stirbst..." ist eine Teenie-Variante vom Klassiker "Und täglich grüßt das Murmeltier".

Von Philipp Bovermann

Die alten Griechen haben sich die Hölle als einen Ort vorgestellt, an dem der Mensch wieder und wieder denselben Tag erlebt. Kaum hat Sisyphos den Fels auf den Berggipfel gerollt, geht die Plackerei von vorne los. Wer das Pech hat, irgendwann erwachsen geworden zu sein und Sklave seines Weckers ist, weiß, wovon die Rede ist.

Im Jugenddrama "Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie" trifft dieser Fluch das Teenie-Mädchen Samantha (Zoey Deutch). Die Highschool ist bald vorbei, sie hat alles mitgenommen: Hat auf den coolsten Parties gefeiert und mit den heißesten Jungs geknutscht. An der Schule ist "Cupid Day", an dem Liebesboten Rosen ins Klassenzimmer liefern. Sam bekommt eine besonders schöne. "Was glaubt ihr, was man über euch sagen wird, wenn ihr tot seid", fragt sie ihre Freundinnen. "Dass wir die Geilsten waren", antwortet eine.

Am nächsten Morgen klingelt der Wecker. Es ist Cupid Day. Schon wieder. Auch beim nächsten Aufwachen ist Cupid Day - Sam ist in einer Zeitschleife gefangen. Aber sowas kann ja den Besten passieren, Bill Murray in "Und täglich grüßt das Murmeltier" zum Beispiel. Dort spielt er einen stinkstiefeligen TV-Moderator, der immer wieder den traditionellen "Tag des Murmeltiers" in einem verschlafenen Provinznest erlebt, über den er berichten soll. Für dessen lächerliche Bräuche und Menschen ist er in seinen Augen viel zu wichtig. Eine unbekannte Macht scheint ihm daher eine Lektion erteilen zu wollen. Denn wenn es kein Morgen mehr gibt, fängt auch der schlimmste Egozentriker irgendwann an wahrzunehmen, was im Heute passiert.

Samantha (Zoe Deutch) erlebt denselben tag wieder und wieder. (Foto: Capelight)

"Wenn du stirbst..." ist nun die Highschool-Variante dieser Grundidee und fügt ihr, als Parabel über das Erwachsenwerden, einige interessante Gedanken hinzu. Der Film basiert auf dem gleichnamigen Jugendroman von Lauren Oliver und richtet sich ebenfalls an ein jüngeres Publikum. Er tut das mit der philosophischen Ernsthaftigkeit, die sich in diesem Alter oft einstellt. Außerdem mit viel cooler Musik auf der Tonspur, denn philosophische Gedanken eines Teenagers verlangen nach großen Mengen cooler Musik.

Zunächst tapst Sam wie ein Gespenst durch die endlosen Wiederaufführungen. Die Freundin, die sich den Pullover hochzieht und den BH an die Autoscheibe drückt - beim ersten Mal war das noch lustig. Beim x-ten Cupid Day aber platzt Sam der Kragen. Sie streift sich morgens ein schwarzes Kleid über viel nackte Haut, schminkt sich schwarze Lidschatten und marschiert hochhackig los in Richtung Schule. Ihrer obercoolen Mädchen-Clique feuert sie entgegen, nicht ganz zu Unrecht, wie armselig und gemein jede von ihnen doch ist. Wenn der Tag sowieso von Neuem beginnen wird, als sei nichts geschehen, kann sie schließlich tun und sagen, was immer sie will, nicht wahr?

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Auch der muffelige TV-Moderator im "Murmeltier-Tag" geht durch diese Phase. Er fährt mit dem Auto Bahnschienen entlang, bestellt bei den Polizisten, die ihn daraufhin anhalten, Cheeseburger und Pommes, pfeift, kurz gesagt, auf alle Regeln und legt reihenweise Frauen flach. Egozentrik, vorher bloß eine miese Charaktereigenschaft, wird in der Zeitschleife eine konkrete Option zur Lebensführung. Ungefähr so verhalten sich bisweilen gerne auch pubertierende Teenager. "Wenn du stirbst..." erzählt davon als notwendigem Teil eines Reifungsprozesses. Die Auflösung zum Schluss ist eine andere, ja man kann durchaus sagen konsequentere als bei Bill Murray. Aus der ewigen Wiederkehr wird der egomanische TV-Moderator erst entlassen, als er allen Mitmenschen geholfen und sich ohne Hintergedanken auf die Liebe einer Frau eingelassen hat. Bei der Überwindung seiner Selbstsucht geht es also wiederum um ihn. Sam hingegen entdeckt, dass dieser Tag sich nicht ihretwegen wiederholt. "Vielleicht gibt es für dich ein Morgen", sagt sie im Epilog aus dem Off. Sie spricht von Momenten, die nachhallen, auch wenn sie vorbei sind. Das Ende ist Kitsch, schöner, warmherziger Kitsch. Die Figuren etwas stereotyp angelegt - aber es gibt ein Alter, in dem einem sowas egal ist.

Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie ist auf DVD und Blu-ray erschienen sowie als Video on Demand erhältlich.

© SZ vom 16.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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