Mediaplayer:Sex und Drogen und keine Ahnung

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Nicholas Hoult champagnertrunken in "Kill Your Friends". (Foto: Ascot Elite)

Die Musikindustrie kommt in dem Film "Kill Your Friends" gar nicht gut weg. Einblicke in ein hartes Geschäft im London der Neunzigerjahre.

Von Bernd Graff

London, Mitte der Neunzigerjahre. Die britische Musikindustrie kann vor Kraft kaum laufen, das Internet kennt noch keine Download-Piraten, die schlimme Urheberrechtsverletzungen begehen, und Musiksender bringen den Pop und den Rock'n'Roll in Ton und Bild zu den hithungrigen Menschen. Alle Stile werden konsumiert, Techno, Grunge, Folk und natürlich Britpop. Bands von der Insel wie Blur, Oasis und The Verge, Radiohead und die Spice Girls dominieren die internationale Szene, und alles, was eine Gitarre und Trommelstöcke halten kann, will so sein wie sie.

In diesem swingenden Milieu hat sich aber auch eine drogenoptimierte Spezies von Managern heranbilden können, die sich professionell durch die Berge von Demotapes wühlen, die täglich über den Plattenfirmen abgeworfen werden. Ihr Job ist es, neue Talente für die Plattenlabels zu suchen und vor allem vor der Konkurrenz zu verpflichten. A&R-Manager werden diese Leute genannt. Es gibt sie wirklich. Die Buchstaben stehen für "Artists" und "Repertoire", dahinter steckt die Avantgarde der Musikindustrie: Was hier gehört wird, läuft morgen in der Heavy Rotation der Musiksender. Wer hier entdeckt wird, ist ein Star. Jedenfalls, solange er von seinem Label gefördert wird. Und dazu muss der Star "zum Haus passen", also zu dem Trend, der gerade von den Labels promotet und von den Konsumenten wie blöde gekauft wird.

Steven Stelfox (Nicholas Hoult) ist ein solcher A&R-Mann, mit 27 Jahren ist er schon weit in seiner Karriere gekommen. Doch nach Stelfox' Geschmack noch längst nicht weit genug: den Posten seines Chefs würde er am liebsten sofort übernehmen. Denn, so der Zynismus des Jungmanagers, im Musikmetier muss man rein gar nichts können, es kann auch keiner was. Er nimmt sich selber gar nicht aus. Nicht einmal Interesse für Musik bringt er mit. Nur den unbedingten Willen zu Karriere, Macht und Geld. "Sehen meine Schuhe aus, als interessiere ich mich für Velvet Underground?", raunt er in seinen Krokodilleder-Sneakers. Er ist intrigant bis auf die Knochen, kaltblütig, skrupellos. Denn noch etwas muss man in diesem Business mitbringen: Stehvermögen. Man muss demnach die harten, wahllos eingepfiffenen Drogen, die nächtelangen Parties und die überflüssigen Meetings am nächsten Morgen aushalten können, in denen viel gelabert und noch mehr gedemütigt wird. Darum ist etwas am Titel dieses Regie-Erstlings von Owen Harris irreführend, ebenso am Titel der Romanvorlage des Bestseller-Autors John Niven, der für das Drehbuch verantwortlich zeichnet: "Freunde", die man töten könnte, hat hier niemand. Doch getötet wird. Und das nicht zu kleinlich.

Der Ehrgeizling Stelfox hat seinen Chef in einem Meeting auflaufen lassen, ist ihn also los. Doch nicht er wird der Nachfolger, sondern ein Kollege. Der hat sogar noch weniger Ahnung von seinem Metier als Stelfox. Nach einer gemeinsam durchkoksten Nacht erdrosselt ihn Stelfox mit einer Hundeleine. Doch der Label-Boss befördert ihn wieder nicht auf den Chefsessel. Den bekommt ein supererfolgreicher A&R-Star, den man von der Konkurrenz abwerben konnte. Stelfox erlebt nun die härteste Demütigung, der er je ausgesetzt war: Er muss richtig hart arbeiten.

Dafür ist ihm ein Polizist auf den Fersen, der überambitioniert ermittelt. Die Ambitionen richten sich weniger auf seinen Job als auf seinen Karrieretraum. Er will selber ins Musikgeschäft einsteigen, und obwohl er sicher ist, dass Stelfox gemordet hat, hält er ihn für sein Ticket ins Business. Stelfox lässt sich dann nicht nur von ihm erpressen, sondern auch noch von der cleveren Sekretärin, die ebenfalls herausgefunden hat, was in der tragischen Nacht geschah. Was macht Stelfox? Er macht alles noch tragischer. Und kommt damit durch.

Diese schwärzestschwarze Brit-Komödie, die stark an "American Psycho" erinnert, zeigt einen Nicholas Hoult, dem man Zynismus und Narzissmus dieses Metiers abnimmt. Sie zeigt in einer Nebenrolle auch Moritz Bleibtreu. Hier als Rudi, die teutonische Dumpftechno-Backe. Er ist hinreißend komisch. Allein, wie er den Manager beim Namen nennt, ist pure Musik in den Ohren.

"Kill Your Friends" ist als Blu Ray-Disc ab 12,99 Euro erhältlich, als DVD ab 10,99 Euro und ab 4,99 Euro im Stream.

© SZ vom 14.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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