Mediaplayer:Romy Schneider auf der Spur

Für seinen Dokumentarfilm "66 Kinos" ist der Regisseur Philipp Hartmann durch Deutschland gereist und hat Kinos und ihre Besitzer porträtiert. Eine Liebeserklärung an den immer noch schönsten Ort für Filme.

Von Sofia Glasl

Mediaplayer: Regisseur Philipp Hartmann auf seiner Kinotour.

Regisseur Philipp Hartmann auf seiner Kinotour.

(Foto: AIejandra Rocabado Koya)

"Hier ist das Lichtspiel Kino. Wir zeigen heute um 15 Uhr den Film '"Dieses schöne Scheißleben'", flötet der Bamberger Kinobetreiber wie ein Nachrichtensprecher auf seinen Anrufbeantworter. Jeden Tag spricht er sein Programm auf und lässt noch Platz für Nachrichten und Reservierungen. Hinter ihm steht eine Schiefertafel mit Getränkepreisen, vor ihm auf dem Tresen bunte Limonadenflaschen und Strohhalme. Er habe eigentlich Filmkritiker werden wollen, jetzt sei er Kinobesitzer und stolz darauf, in einer kleinen Stadt etwas zu bewegen. Er erzählt von seiner Leidenschaft fürs Kino und wie aus einem Studentenjob ein Beruf wurde.

In seinem Dokumentarfilmessay "66 Kinos" spricht der Regisseur Philipp Hartmann mit Kinobetreibern aus ganz Deutschland. Er nennt sein Projekt auch eine "Reise durch die deutsche Kinolandschaft", also durch die Spielstätten, in denen die Filme erst richtig zum Leben erweckt werden. Denn was ist schon ein Film ohne Publikum? Deshalb tingelte Hartmann vor ein paar Jahren mit seinem Vorgängerwerk "Die Zeit vergeht wie ein brüllender Löwe" durch deutsche Programmkinos. Während dieser Tour entstand der neue Film. Mit einer kleinen Handkamera im Gepäck porträtierte er jedes Kino, in dem er zu Gast war und interviewte die Betreiber.

In dieser "Mise en abyme", die aus dem Abfilmen einer Kinotour einen neuen Film macht und diesen nun wiederum auf Tour schickt, verdichtet sich einerseits das Wesen des Kinos als kulturtechnisches Stehaufmännchen; aber andererseits auch die Krise, in der sich der Arthousefilm und die Programmkinos befinden. Viele kleine, unabhängig produzierte Filme finden heute gar keinen Verleih mehr und schaffen es nicht ins Kino. Philipp Hartmann stellt sich mit seinem One-Man-Show-Konzept dagegen - er hat nicht nur Regie geführt, sondern den Film auch produziert, im Selbstverleih die Werbetrommel gerührt und ist letztendlich wie ein Schausteller von Stadt zu Stadt gezogen, um den Film persönlich zu präsentieren.

Im Metropolis Kino in Hamburg trifft er sein Schausteller-Alter-Ego, einen Künstler der auf Reisen Fotodaumenkinos erstellt und diese per Live-Videoprojektion als Daumenkino-Kino zeigt und wie ein Stummfilm-Erzähler begleitende Geschichten zum Besten gibt. Im Delphin-Palast in Wolfsburg wohnt Hartmann in der angeschlossenen Kinowohnung, in der schon Romy Schneider übernachtete und Heinz Erhardt zu Gast war. In alten Fotoalben blättert er durch die Bilder der ehemaligen Angestellten. Viele Kinobetreiber zeigen stolz ihre analogen Filmprojektoren, einige durften nur aus Nostalgie bleiben, denn neue Filme werden fast nur noch digital angeliefert. Wo noch analoge Kopien gezeigt werden, ist man stolz auf die filmmuseale Arbeit, die, so eine Betreiberin der Karlsruher Kinemathek, wenig honoriert, also nicht gefördert, wird. Das ist kaum verwunderlich, wenn man sich den stiefmütterlichen Umgang von Bund und Ländern mit dem analogen Filmerbe anschaut.

Zurückgehende Besucherzahlen machen vielen Kinobetreibern zu schaffen. Einige können sich neben einem großen ein kleines Programmkino leisten, viele erzählen, dass sie ihr Etablissement nur durch die angehängte Gastronomie erhalten können. Einer der vier Macher des Münchner Werkstattkinos, die sich als "autonomes Kollektiv von Einzelkämpfern" sehen, bezeichnet sein Kino als "labour of love", also als Herzensprojekt. Das verbindet sie alle, denn ihre Augen leuchten, wenn sie nach ihrer Filmsozialisierung gefragt werden. Das Kino als Kulturtechnik ist immer noch der Ort der Wahl dafür. Hartmann nennt bewusst nie die Namen der Betreiber, lediglich das Kino und die Stadt, in der sie sich befinden. Aus den vielen Einzelporträts setzt er ein größeres Bild zusammen. Ein Selbstbildnis des Kinos ist dieser Film geworden, das den Zauber des bewegten Bilds, aber auch den Zustand einer Branche sichtbar und greifbar macht. Gemeinsam mit den Kinobesitzern ergründet er die Zukunftsaussichten der Filmkunst - bisweilen pessimistisch, oft realistisch, aber immer im Bewusstsein dafür, an welchem Zauber sie teilhaben.

66 Kinos ist auf Kinotour durch Deutschland, aktuelle Termine unter 66kinos.de.

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