Mediaplayer:Leben ohne Liebe

Mediaplayer: Verwirrt und verliebt: Kristen Stewart in "Equals".

Verwirrt und verliebt: Kristen Stewart in "Equals".

(Foto: Koch Media )

Alles sehr stilsicher, aber die Liebe fehlt: Der Science-Fiction-Film "Equals" mit Kristen Stewart handelt von einer Gesellschaft, in der Gefühle verboten sind.

Von Bernd Graff

Die schlimmsten Dystopien, die verheerendsten Untergangsszenarien sind die, die den Terror als Glück für die Menschheit verbreiten. Die den Mantel einer Normalität über jene Gewalt legen wollen, die den Menschen doch tatsächlich angetan wird. Orwells "1984" ist eine solche Dystopie, in der ein totalitärer Überwachungsstaat jegliche Privatheit als verbrecherisches Abweichlertum darstellt, verfolgt und radikal ausmerzt. Im Kino malten Truffauts "Fahrenheit 451" und Andrew Nicols "Gattaca" Welten aus, in denen omnipotente Mächte Körper und Geist der Menschen beherrschen und ihre Unterjochung, Indoktrination und Selektion zum selig machenden Fortschritt erklären. Der Film "Equals - Euch gehört die Zukunft", geschrieben von Nathan Parker, in der Regie von Drake Doremus, will in dieser Liga mitspielen. Hier hat man den Nachfahren der wenigen Überlebenden eines "großen Krieges" alle Gefühle ausgetrieben. Sie haben jetzt einfach keine mehr und funktionieren nur noch: artig, gehorsam, höflich, aber eben ohne jede Ambition und Interesse füreinander.

Die Menschen sind hier weder glücklich noch unglücklich, sie verbringen uniform (aber sehr stilsicher weiß und cremefarben) gekleidet ihr kontrolliertes, gleichförmiges Leben bei der Arbeit und in ihren (ebenfalls stilsicheren) Single-Apartments. Es gibt keinen Neid, Hass oder Verbrechen. Liebe natürlich auch nicht. "Don't cry! Work!" könnte ihr Lebensmotto lauten, wenn sie denn wüssten, was Tränen sind. Schwangerschaften werden von der Bio-Macht angeordnet und deren Verlauf überwacht. Doch im Grunde genommen geschieht hier rein gar nichts mehr. Man vegetiert in steriler Perfektion in einer Gesellschaft Sedierter vor sich hin. Dabei bleibt es natürlich nicht. Angeblich, so die omnipräsenten Medien des hier "Kollektiv" genannten Staatsapparates, sorgt ein gefährliches Virus für die Freisetzung der beherrschten Gefühle: SOS, das "Switch On Syndrome", verbreitet sich. Es kommt zu Selbstmorden und, natürlich, zu Verwirrung stiftenden Verliebtheiten. Verwirrt sind in erster Linie die Verliebten selbst, die nicht wissen, wie ihnen geschieht, aber natürlich alles daran setzen, ihre "Krankheit" zu verheimlichen. Denn erkannte Paare werden verhaftet und in Camps interniert. Eine Selbsthilfegruppe findet sich und bespricht sich im Verborgenen. Man mutmaßt, dass nicht die Gefühle die Anomalie darstellen, sondern, dass die an jeden lebenslang verabreichte Medikamente die Gefühle bislang unterdrückten. Die Bezeichnung "Equals" aus dem Titel könnte sich darum auf beide beziehen: Die Gleichförmigen in ihrer Roboterhaftigkeit, aber auch die freien Liebenden, die sich in ihrem Gegenüber endlich erkannt haben.

Silas (Nicholas Hoult) und Nia (Kristen Stewart), die sich bislang achtlos bei der Arbeit in einer Abteilung des Propaganda-Ministeriums begegnet sind, verfallen einander und beschließen, ein Glück jenseits der Staatsgrenzen in der unbekannten Wildnis zu suchen. Die beiden - vor allem durch die arg blaustichigen Farbfilter der Postproduktion - sehr blassen, sehr blauäugigen Darsteller machen das ganz großartig: Die Entdeckung gegenseitiger Sympathie, die vorsichtige Suche nach dem Blick des anderen, dann ein Kuss, die Heimlichkeit der verbotenen Beziehung und der schwere Kampf gegen die übermächtigen Gefühle. Man nimmt den beiden ab, dass für sie Unbegreifliches geschieht. Die Wissenschaft hat hier zwar Krebs und Schnupfen besiegt. Doch es gibt keine Kur für die Liebe. Oder? Das "Kollektiv" hat einen neuen Impfstoff gegen die Liebe entwickelt: Mitglieder der Selbsthilfegruppe werden wieder in die emotionale Bewusstlosigkeit überführt, werden zu Verrätern, die das Kollektiv über ihren Geheimbund informieren. Die Verhafteten werden sofort auf Nimmerwiedersehen in Camps gebracht, die hier D.E.N. heißen (Defective Emotional Neuropathy).

Silas und Nia haben allergrößte Mühe, sich der zwangsweisen Rückversetzung in die emotionale Sterilisation zu entziehen. Eine Fehlinformation sorgt dafür, dass sie scheitern müssen - und sie scheitern aber wohl auch wieder nicht. Es gibt eben keine Kur für Liebe.

Equals - Euch gehört die Zukunft ist ab 10. November als DVD und Blu-ray erhältlich (ab 13,99 Euro).

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