Mediaplayer:In einem Zug

Lesezeit: 3 min

Wenn Fritz Göttler neue DVDs ansieht, dann wachsen Stapel himmelwärts: Diesmal hat er sieben Filme ausgewählt, darunter "Viele kamen vorbei" von 1956.

Von FRITZ GÖTTLER

Waldeinsamkeit. Zu zweit ... Ein raunender Erzähler gibt die Stimmung der Szene vor: "Und dicht daneben kommt das Leben vorbei. Ja, das ist das wichtigste, das Leben. Das brausende Leben. Die Autobahn hat es ihm angetan." Der Mann wirkt müde und angespannt, das Mädchen neben ihm ist tot. "Viele kamen vorbei" ist ein ruhiger kleiner bundesdeutscher Autobahnmörderfilm von 1956, inszeniert von Peter Pewas, der das Grauen so unpathetisch filmt, wie es in Hollywood Jacques Tourneur getan hat. Harald Maresch ist ein charmanter, gequälter Mörder, "ohne Beruf, ohne Zuhause, Gelegenheitsarbeiter, kam nie dazu, etwas zu lernen, war zu viel los an großer Zeit". Maresch hat eine Karriere in Hollywood versucht, ist unter dubiosen Umständen gescheitert. Die große Zeit, das ist der Wiederaufbau, als alle sich nach Stabilität und Sicherheit sehnen - die allererste Einstellung zeigt Maresch vor einem Bagger, der kräftig werkelt beim Straßenbau. Der Film ist eine einzige Serie verfehlter Begegnungen und Ersatzbefriedigungen. Schon wieder fangen die Alten an, den Jungen ihre Vorstellungen aufzudrücken. Maresch trifft ein Mädchen, das heimlich zu ihrem jungen Freund ausrückt, per Autostopp. In der Kabine eines Fernfahrers gibt es kurz eine schöne kleine Gemeinschaft, ein spätes Licht hat am Horizont sich in den Wolken gefangen (nicht die Nacht ist in der Regel der Ort des Film noir, sondern eine ewige Dämmerung). Maresch intoniert ein Lied, "Je reve d'amour ...", der Fahrer fängt an, es zu übersetzen: "Auch beim Erobern Französisch gelernt, Kamerad?" (Filmjuwelen)

Die transkontinentale Eisenbahn, eine Nebenstrecke des großen amerikanischen Traums. Ein eigenes Genre sind die Eisenbahnbaufilme, da kommt viel zusammen, Vermessung der Ebenen, Indianerüberfälle, brutale Schinderei beim Schwellen- und Schienenlegen, die Rocky Mountains, erbitterte Konkurrenz der Gesellschaften. Große epische Filme gibt es, von John Ford oder Cecil B. DeMille, aber auch eine Menge kleiner Western, in denen Streiterei und Sabotage wirken, als würden ein paar Jungs sich raufen. "Denver and Rio Grande/Terror am Rio Grande" zum Beispiel, 1952, von Byron Haskin, in dem Edmond O'Brien und Sterling Hayden einander bekämpfen, die man beide auch aus finsteren Film noir kennt. (White Pearl Classics) Ein kleiner Eisenbahnfamilienfilm ist "Cattle Drive/Der große Zug nach Santa Fé", 1951, von Kurt Neumann. Der kleine Held ist ein völlig verzogener Fratz - ist halt nicht leicht, der Sohn eines Eisenbahnpräsidenten zu sein, in einem Sonderwaggon. In der Wildnis wird er von Joel McCrea aufgegabelt, der einst für DeMille bei "Union Pacific" unterwegs war. Auf dem Viehtreck nach Santa Fe geht es um Freundschaft und einen Hengst, den der Traumvater McCrea unbedingt fangen will. (Koch Media)

Familienhorror mit Katherine Heigl, eine ungewöhnliche Rolle für den blonden Komödienstar: "Unforgettable", von Denise di Novi, die einige Filme von Tim Burton produzierte. Heigl als Albtraummutter, die ihren Freund nicht gehen lassen will, als der mit Rosario Dawson zusammenzieht, und ihr Töchterchen weiter dominiert und schikaniert, einmal zwingt sie die Kleine auf ein viel zu großes Pferd. Sie hat einen mörderischen Drive, will alles bis zum Ende unter Kontrolle halten. (Warner)

Ein kleiner Film über die großen Mythen des Western, "Treibsand", 1949, von John Sturges, der Originaltitel ist "The Walking Hills". Amerika, das Land der sich wandelnden, der wandernden Landschaften. In der Wüste an der mexikanischen Grenze ist einst ein Wagenzug mit einem Haufen Gold bei einem Sandsturm verschüttgegangen - das setzt ein paar Männer um Randolph Scott in Bewegung, denen sich dann die tolle Ella Raines anschließt. Sturges liebt die Wüste, die stur schaufelnden Männer. Wie in John Fords "Stagecoach" geht es auch um eine Geburt - ein kleines Fohlen. (Schröder Media)

Fantastisches Kino aus England: "The Girl with All Gifts" von Colm McCarthy. Ein dystopischer Paukerfilm, eine Epidemie hat die Menschen in gierige Zombies verwandelt. Nur ein paar Kinder könnten den Weg zur Heilung weisen, sie werden in einem Sonderunterricht gehalten, festgeschnallt. Das Girl mit allen Gaben ist Pandora mit ihrer Büchse, die Lehrerin für die Zukunft ist Gemma Arterton (Universum). Und: Ein irrwitziges King Arthur-Spektakel von Guy Ritchie: Eric Bana ist der gute, Jude Law der böse, usurpatorische König, Charlie Hunnam der junge Arthur, der in der Gosse heranwächst. Die schönste Szene zeigt ihn mit seiner Bande, wie sie die Polizei bluffen, die sie über ihr Tun befragt. Die Geburt des Erzählens aus dem Geist des frechen Verschleierns. (Warner, ab 12.10.)

© SZ vom 09.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: